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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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etwas in der Apotheke besorgen wollte. Das war auf dem Weg zu dieser Katzenpension gewesen. Marie hatte das Türchen des Transportkorbs nur ganz kurz aufgemacht, und schon war er durch Dorothees Beine hindurch entwischt.
    »Du liebe Güte«, entfuhr es Anna. »Am Alexanderplatz?«
    Alles andere als ein Ort für eine Katze. Welche Überlebenschancen hatte der arme Nelson denn dort? Nichts als Verkehr, Autos, Busse, Straßenbahnen. Eine gefährliche Reizüberflutung für so ein kleines Tier.
    »Ja«, stieß Marie hervor. »Und alles ist meine Schuld.«
    Anna nahm das Mädchen fest in den Arm. Es schluchzte an ihrer Schulter. Anna wechselte einen Blick mit Dorothee Grünberg, die sie und ihre Tochter im Haus gegenüber entdeckt hatte. Dorothee gab ihr ein Zeichen: Kümmere dich um das Kind, ich komme gleich zu euch. Sicher hatte ihre Nachbarin jetzt alle Hände voll zu tun. Schließlich konnten sie nicht ohne Weiteres in den Urlaub fliegen und den Kater einfach sich selbst überlassen. Das würde Marie ihren Eltern niemals verzeihen.
    »Ich bin schuld. Ich ganz allein«, jammerte das Kind.
    »Nein, das bist du nicht, mein Schatz«, flüsterte Anna. Sie trug das Mädchen vorsichtig ins Haus. »Jede Katze kann mal weglaufen. So etwas passiert immer wieder. Du darfst dir keine Vorwürfe machen.«
    »Aber ich hab doch das Türchen aufgemacht.«
    Anna strich ihr übers Haar. »Denk nicht mehr darüber nach. Ich mache dir erst mal einen heißen Kakao, was hältst du davon?«
    Sie setzte Marie in der Küche ab und stellte einen Topf auf den Herd. Marie saß stumm da und zog von Zeit zu Zeit die Nase hoch, während Anna den Kakao anrührte.
    »Wenn ihn jemand findet, wird er ihn sicher zurückbringen«, sagte sie. »Schließlich trägt er ein Halsband mit Namensplakette. Und er hat einen Chip unter der Haut, weißt du? Wenn er ins Tierheim gebracht wird oder zu einem Tierarzt, dann können die auf dem Chip euren Namen und eure Adresse lesen. Glaub mir, das ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder auftaucht.«
    Marie stand auf und betrachtete Annas Adventskranz. »Ob Nelson jetzt irgendwo ist, wo Advent gefeiert wird?« Sie klang unendlich traurig, als sie hinzufügte: »Er liebt die Weihnachtszeit, weißt du?«
    Anna dachte an den lärmenden Alexanderplatz. Wo würde sich ein Kater wohl verstecken? In einem Parkhaus? Oder in einem Kellergeschoss? Sie konnte nur hoffen, dass er nicht einfach auf die Straße gelaufen und überfahren worden war.
    »Wir werden ihn wiederfinden.« Anna nahm das Gesicht des Mädchens in die Hände, damit Marie ihr in die Augen sah. »Hörst du? Wir werden Nelson wiederfinden. Das verspreche ich dir.«
    Sie folgte einem Impuls, als sie das sagte. Dabei wusste sie, wie schwer es sein würde, dieses Versprechen zu halten. Doch sie konnte nicht anders, es war wie ein Zwang.
    »Ich bringe ihn zurück, mein Engel«, sagte sie. »Ganz fest versprochen.«

4
    Der Mond stand hell leuchtend über dem Roten Rathhaus. Unter dem sternenklaren Himmel sanken die Temperaturen unter Null. Ein eisiger Wind pfiff durch die mittlerweile menschenleeren Gassen auf dem Weihnachtsmarkt. Nelson fror entsetzlich. Er war zurückgekehrt, weil er gehofft hatte, der alte Mann würde ihn nun vielleicht doch am Öfchen sitzen lassen. Bei dieser furchtbaren Kälte würde er eine Katze doch nicht einfach davonjagen, das würde er nicht übers Herz bringen. Aber die Stände waren verwaist und die Türen allesamt versperrt.
    Nelson schlich frierend an einem Karussell vorbei. Ihm war nicht nur kalt, er hatte auch schrecklichen Hunger. Aber nirgends gab es was zu essen. Die Plastiksäcke, in die tagsüber auf dem Weihnachtsmarkt die Essensreste geworfen wurden, waren alle fortgebracht worden. Und auch sonst lag nirgendwo etwas Essbares herum. Enttäuscht machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Versteck hinter dem Lüftungsgitter. Dort ging wenigstens nicht so ein grässlicher Wind.
    Laternenlicht fiel über die breiten Bürgersteige. Der Kater versuchte, sich im Schatten der Hauswände zu bewegen, auch wenn anscheinend kein Mensch unterwegs war. Er wollte vorsichtig sein, denn er spürte, dass hier Gefahren lauerten. An einem Betonpfeiler stand ein offener Mülleimer, von dem unterschiedlichste Gerüche ausgingen. Nelson schöpfte Hoffnung. Mit einem Satz war er oben auf dem Rand und spähte hinein. Er entdeckte ein Papiertaschentuch und ein Stück Folie, eine leere Flasche und eine alte Zeitung. Nelson streckte eine Pfote hinein
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