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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
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hätte.
    »Mama!«, schrie Laura entsetzt. »Was willst du hier?«
    Als hätte Anna ihre Tochter mit einem Jungen erwischt. Sie blickte sich um. In dem Zimmer herrschte furchtbare Unordnung. Aber dazu sagte sie jetzt lieber nichts.
    »Ich wollte dich was fragen, Laura.«
    »Ich bin hier am Chatten!« Immer noch in einem Tonfall, als wäre Anna in ihre intimste Privatsphäre eingedrungen.
    »Und deshalb kannst du nicht mit mir reden?«, fragte Anna gereizt.
    Laura seufzte schwer. »Was ist denn?«
    »In den nächsten Tagen wollte ich für Weihnachten backen. Es wäre doch schön, wenn wir zwei …«
    Laura stöhnte auf. »Mama, bitte!«
    »Aber du hast doch sonst immer so gerne beim Backen geholfen.«
    »Ich hab wirklich keine Zeit für so was. Außerdem wird man von dem Zeug eh nur fett. Ich werd dieses Jahr jedenfalls keine Plätzchen essen.«
    Anna fand ja, ein vierzehnjähriges Kind sollte noch nicht über sein Gewicht nachdenken. Das schien ihr nicht gesund zu sein. Aber sie verkniff sich jeglichen Kommentar.
    »Muss das denn unbedingt sein?«, fuhr Laura fort.
    »Aber nein«, sagte Anna und bemühte sich, ihre Kränkung zu verbergen. »Es soll dir ja Spaß machen. Müssen musst du gar nichts.«
    »Danke. Ich mein, dieser ganze Weihnachtsterror nervt doch sowieso.«
    »Also gut. Dann lassen wir es.«
    Laura nickte und wandte sich wieder ihrem Computer zu. Als sie bemerkte, dass ihre Mutter immer noch in der Tür stand, fauchte sie: »Was ist jetzt? Kann ich weiterchatten?«
    »Ach so. Natürlich.«
    Anna schloss die Tür und ging hinunter in die Küche. Sie hätte am liebsten losgeheult.
    Dann atmete sie tief durch, überwand sich und fuhr mit der Arbeit fort.
    Zwei Stunden später stellte sie die fertigen Gestecke und den Adventskranz auf die Anrichte, um Platz zum Saubermachen zu schaffen. Ihr Blick fiel auf die Straße. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen. Zu ihrer Überraschung brannte im Haus gegenüber Licht. Die Grünbergs wollten doch heute früh in den Urlaub fliegen. Oder brachte sie da was durcheinander? Es sollte auf die Kanarischen Inseln gehen. Dort wollten sie die Wochen bis zum Weihnachtsfest verbringen – auch wenn Anna nicht verstand, was daran reizvoll sein sollte. Weihnachten auf den Kanarischen Inseln, das machte doch keinen Spaß. Palmen und Strand waren in ihren Augen nicht die passende Kulisse für den Heiligen Abend.
    Vermutlich hatte sie den Tag verwechselt, und die Grünbergs flogen erst morgen. Sie dachte an Marie, die fünfjährige Tochter der Nachbarn. Die wäre wohl lieber in Berlin geblieben. Das Kind träumte nämlich von weißen Weihnachten, genau wie Anna. Marie und Anna waren fast so etwas wie Freundinnen. Das Nachbarskind saß ständig bei ihr in der Küche, während Anna kochte oder bügelte, und malte dabei ein Bild oder erzählte vom Kindergarten, in den sie vormittags ging. Anna genoss es, wenn sie Marie um sich hatte. Es erinnerte sie daran, wie es früher mit Laura gewesen war. Im Gegensatz zu Laura hätte es Marie sicher großen Spaß gemacht, Anna bei der Weihnachtsbäckerei zu helfen. Aber leider ging das nicht, die Familie flog ja in den Urlaub.
    Anna blickte hinüber zu den Nachbarn und sah Dorothee Grünberg, die Mutter von Marie, die telefonierend im Raum auf und ab lief und mit der freien Hand wild gestikulierte. Sie wirkte ziemlich gestresst. Und dann entdeckte sie Marie, die durch die Glastür auf die Terrasse trat und zu Annas Haus herübersah. Sie war ganz blass, und ihre Augen sahen verweint aus. Was war denn nur los?
    Anna trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch und ging zur Haustür. Marie kam ihr bereits entgegengelaufen.
    »Anna! Anna!«, rief sie und warf sich ihr um den Hals. »Nelson ist weg!«
    Anna war perplex. »Du meinst, er ist jetzt in der Katzenpension?«
    Marie war ganz verzweifelt gewesen, weil Nelson Weihnachten in einer Katzenpension verbringen sollte. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, es wäre ein Tierheim – da konnte ihre Mutter reden, wie sie wollte.
    Anna hatte angeboten, Nelson für die Zeit des Urlaubs bei sich aufzunehmen. Doch Dorothee wollte das nicht. Sie wollte ihr nicht zur Last fallen. Außerdem meinte sie, die Katzenpension wäre ideal für Nelson. Marie sollte sich einfach damit abfinden.
    »Er ist nicht in der Katzenpension«, schluchzte Marie in ihren Armen. »Er ist weggelaufen!«
    »Weggelaufen? Wann denn das? Und wo?«
    Marie erzählte, wie er ihr entwischt war, als ihre Mutter am Alexanderplatz
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