Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen
Autoren: Hannes Steinbach
Vom Netzwerk:
Klebepistole hin und lief in den Hausflur. Ihre vierzehnjährige Tochter stieg gerade die Treppe zu ihrem Zimmer hoch.
    »Musst du gar nicht mehr antworten, wenn ich dich was frage?«, beklagte Anna sich. »Bin ich so schrecklich, dass man nicht einmal mehr reagieren muss, wenn ich rede?«
    Laura blies genervt die Backen auf und sagte: »Wie soll es in der Schule schon gewesen sein? Ganz okay halt.«
    »Hast du deinen Französischtest wiederbekommen?«
    »Nee. Erst nächste Woche.«
    Sie wollte in ihr Zimmer gehen, doch Anna hielt sie auf.
    »Und warst du nicht heute in der Theaterwerkstatt?« Laura ging einmal wöchentlich zu einem Bühnenprojekt für Jugendliche, wo gerade eine Weihnachtsaufführung vorbereitet wurde. »Weißt du denn schon, welche Rolle du spielen wirst? Du freust dich doch so darauf.«
    »Nein, keine Ahnung. Darf ich jetzt gehen?«
    Wenn Anna gehofft hatte, ihre Tochter würde sich mit ihr unterhalten, dann hatte sie sich wohl getäuscht.
    »Das Mittagessen steht im Ofen«, sagte sie.
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Aber du musst doch etwas …«
    Ihre Tochter explodierte. »ich hab keinen hunger!« Mit einem Schnauben fügte sie hinzu: »Darf ich jetzt endlich hochgehen?«
    Anna war verletzt, aber das wollte sie ihre Tochter nicht spüren lassen. Sie nickte stumm und kehrte zurück in die Küche. Im Radio lief nun »Es ist ein Ros entsprungen«. Eines ihrer Lieblingslieder.
    Die Haustür draußen öffnete sich erneut, und wieder wurde eine Schultasche gegen die Garderobe gepfeffert. Das war Max, Annas zwölfjähriger Sohn. Er und seine Schwester kamen nie zur selben Zeit nach Hause. Sie hielten auf dem Heimweg von der Schule immer ein paar Meter Abstand, als sollte niemand auf die Idee kommen, sie hätten etwas miteinander zu tun. Dabei waren sie als kleine Kinder unzertrennlich gewesen.
    Max schlurfte in die Küche und steuerte den Herd an.
    »Hallo, Mama. Was gibt’s zu essen?«
    »Gemüseauflauf mit frischem Rosenkohl.«
    Er öffnete die Ofenklappe und verzog das Gesicht. Es gefiel ihm nicht, dass Anna neuerdings vegetarisch kochte. Aber liebsten würde er den ganzen Tag Hamburger und Currywürste essen.
    »Och nee, kein Rosenkohl, Mama. Davon muss ich kotzen. Echt.«
    »Aber der ist ganz mild, Max. Den habe ich nach der Arbeit im Biomarkt besorgt. Probier ihn doch mal.«
    Doch ihr Sohn hatte die Ofenklappe bereits wieder geschlossen. Heimlich zog er aus dem Einkaufskorb, den Anna noch nicht ausgeräumt hatte, eine Tüte Erdnüsse, und steuerte den Ausgang an.
    »Max! Erst isst du was Ordentliches. Vorher gibt es kein Knabberzeug.«
    Er ignorierte sie einfach. Anna wusste, sie musste sich jetzt durchsetzen. Auch wenn sie am liebsten nachgegeben hätte.
    »Max! Bleib stehen! Die Erdnüsse bleiben hier!«
    Er schien zu prüfen, wie ernst es ihr war, dann warf er das Tütchen kurzerhand zurück in den Korb.
    »Probier doch mal den Rosenkohl. Der ist lecker. Wirklich.«
    Doch Max ging hinaus. Wahrscheinlich setzte er sich jetzt an seinen Computer, wo er bleiben würde, bis das Abendessen auf den Tisch kam.
    Anna spürte Traurigkeit in sich aufsteigen. Im Grunde interessierte sich keiner für ihren Adventskranz. Früher war das anders gewesen. Da hatten die beiden mit großen Kinderaugen vor dem Kranz gesessen und ganz andächtig gelauscht, wenn Anna und ihr Mann Adventslieder sangen. Sie hatten diese festliche Stimmung geliebt und das Geheimnisvolle der Adventszeit. Doch seitdem hatte sich viel geändert. Manchmal fragte sie sich: Für wen machst du das alles überhaupt noch?
    Aber nein, diese Frage war falsch. Wenn die beiden ihre Meinung änderten – und das taten sie ständig in diesem Alter –, dann würde sie es nicht ertragen, traurige Kinderaugen zu sehen, nur weil es keinen Weihnachtsschmuck gab. Nein, es war richtig, das Haus zu schmücken. Und ihr selbst gefiel es ja auch.
    Ihr Blick fiel auf die Erdnüsse, die oben im Einkaufskorb lagen. Darunter waren die Zutaten für die Weihnachtsbäckerei verstaut. Jetzt, wo sie alles eingekauft hatte, konnte sie jederzeit damit anfangen.
    Laura kam ihr in den Sinn. In den letzten Jahren war das Plätzchenbacken das Einzige gewesen, das sie noch verband. Laura liebte es zu backen. Anna hoffte, sie auch in diesem Jahr dafür begeistern zu können. Sie würde so gern wieder etwas gemeinsam mit ihrer Tochter unternehmen.
    Am besten fragte sie gleich einmal nach. Sie ging nach oben, klopfte kurz an und trat ein, ohne dass Laura sie hereingebeten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher