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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch
Autoren: Horst Biernath
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geht um seinen Lehrstuhl an der Universität...«
    »Ach, Heliane«, sagte er niedergeschlagen, »ich wollte dir nur erzählen, daß der Hund wieder da ist. Ich dachte mir, Manfred würde sich freuen, es zu hören. Heute früh hat Leonhard ihn nach Sachrang gebracht. Und jetzt sitzt der Poldi vor Manfreds Zimmer und kratzt an der Tür...«
    Er lauschte in den Hörer.
    Nichts regte sich.
    »Bist du noch am Apparat, Heliane?«
    »Wart einen Augenblick«, rief sie, »ich komme sofort wieder!«
    Sie legte den Hörer neben den Apparat und lief aus dem Hause. Im Blumenrondell inmitten der Auffahrt war die alte Dame damit beschäftigt, die abgeblühten Polyantharosen für den zweiten Trieb zu beschneiden. Die Jungen angelten am See, sie waren der neuen Leidenschaft völlig verfallen, seit es Manfred gelungen war, einen achtpfündigen Hecht zu landen.
    »Frau Etienne!« rief sie ein wenig atemlos.
    »Nun, mein Kind, gute Nachrichten?«
    »Der Hund ist wieder da!«
    »Das freut mich aufrichtig. Aber deshalb würde ich an Ihrer Stelle trotzdem ganz langsam zum Telefon zurückgehen und ihm sagen, daß er kommen und den Poldi mitbringen soll.«
    »Ach, gnädige Frau, Sie sind wunderbar!«
    »Unsinn! Was ist daran wunderbar, ein Bett beziehen zu lassen?« Sie überlegte einen Augenblick. »Nein, wir wollen doch lieber zwei Betten beziehen lassen. Eins in Ihrem Zimmer und ein anderes im dritten Stock. Für alle Fälle. — Und nun sagen Sie ihm, daß ich mich darauf freue, ihn kennenzulernen. Aber sagen Sie ihm auch, daß er langsam fahren soll! Ich möchte ihn lebendig kennenlernen.«
    Heliane ging langsam ins Haus zurück. Erst, als sie in der Halle außer Sicht der alten Dame war, begann sie zu laufen.
    »Hallo, Michael! Ich habe eine Einladung von Marcels Mutter für dich und den Poldi. Aber du sollst vorsichtig fahren, hörst du? Das läßt sie dir ausdrücklich sagen!« Sie zögerte einen Augenblick und fuhr fort: »Wenn du dich beeilst, erreichst du in Lindau die letzte Fähre. Sie geht um sechs Uhr ab und ist um sieben in Romanshorn.«

22

    Das Fährboot legte pünktlich um sieben Uhr abends an der großen, neuerbauten Landebrücke in Romanshorn an. Von dem viereckigen, den Hafen beherrschenden Kirchturm, der Pforten in seiner Form an den Campanile auf dem Markusplatz erinnerte, hallten die Stundenschläge weit über den spiegelglatten See. Auf der Landebrücke wimmelte es von Menschen. Der Laufsteg für die Autos wurde ausgefahren, es waren über ein Dutzend Kraftwagen, die der Bootsmann ausweisen mußte. Der weiße Thunderbird war der letzte. Pforten hatte vergeblich nach Heliane ausgeschaut. Was erwartete er auch? Daß sie ihm entgegenfliegen würde, als wäre nichts geschehen?
    Er steuerte den schweren Wagen vorsichtig auf die Brücke. Der Hund saß neben ihm auf der Vorderbank und schnupperte durch das offene Fenster die fremden Gerüche ein, Hafengeruch nach Faulwasser, Teer, Holz, Fischen und den süßlichen Duft der neuen Kornernte, die hier in den riesigen Speichern gelagert wurde. Und plötzlich war er mit einem Satz draußen und umtanzte, schrille Jammertöne ausstoßend, als müsse er ihr das ganze Unglück, das ihm widerfahren war, erzählen, eine Dame in einem hellen Sommerkostüm. Ein kleiner Kreis von neugierigen Zuschauern beobachtete die Szene.
    »Ja, Poldi, ich weiß schon, du hast böse Zeiten durchgemacht!« Heliane hatte Mühe, ihr Gesicht vor seiner Zunge und vor seinen wilden Zärtlichkeiten zu schützen. Sie winkte Michael zu, langsam vorauszufahren und auf sie vor dem Landesteg zu warten, bis der Hund sich ein wenig beruhigt habe. Es dauerte gut fünf Minuten, bis er mit seiner Erzählung fertig war, aber auch im Wagen tappte er nach ihren Schultern und versuchte immer wieder, ihr Ohr mit der Zungenspitze zu erreichen.
    »Ich freue mich nicht weniger als der Poldi, dich zu sehen, Heli«, murmelte Pforten bedrückt, »ich getraue mich nur nicht, es dir wie er zu zeigen.« Er suchte nach ihrer Hand, aber Heliane entzog sie ihm wie zufällig, um den Hund von ihrem Hals abzuhalten und ihm den Kopf zu kraulen.
    »Habe ich bei dir überhaupt noch Chancen, Heli?«
    Sie ließ ihn lange auf ihre Antwort warten.
    »Ich will ganz ehrlich zu dir sein, Michael. — Als ich von Sach-rang wegging, da war ich so verletzt und enttäuscht, daß ich davon überzeugt war, ich wünschte dich nie wiederzusehen. Es waren nicht die vielen Kränkungen, die du mir angetan hast. Was mich an dir entsetzte, war deine
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