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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch
Autoren: Horst Biernath
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dem er sich gerade eine Ermunterungszigarette anzünden wollte. Hundeasyl... Es war natürlich völlig aussichtslos, den Poldi dort zu suchen, es war aussichtsloser als aussichtslos und reine Benzinverschwendung, aber schließlich war es ein Hinweis, den man vielleicht doch nicht unbeachtet lassen sollte. So klemmte er sich also seufzend und mutlos hinter das Steuer seines VW — 190 000 Kilometer hatte der gute >Max< jetzt mit dem ersten Motor auf dem Buckel — und zockelte die Straße hinaus, die er schon einmal in einem flotteren Fahrzeug zurückgelegt hatte. Die Hortensien in der Metzgerei waren inzwischen verblüht; statt ihrer lag ein garnierter Schweinskopf in der Auslage, mit einer Zitrone im Rüssel und Petersiliensträußchen in den Ohren. Ein reizendes Bild. Und da kam auch schon die Überlandleitung mit den durchhängenden Kabeln und der Feldweg, der zu der abgebauten Kiesgrube und zu der Baracke führte, in der sich die Zwinger der Streuner und Steuerrückständler befanden. Leonhard legte die Bremse ein und kletterte aus dem Wagen. Es war sinnlose Zeitverschwendung, aber er zog doch an der Glocke, die den Wärter alarmierte und die ganze Meute in ihren Käfigen in ein wütendes Gekläffe ausbrechen ließ. Es dauerte eine kleine Weile, ehe der Mann mit den Hindenburggamaschen um die Waden erschien, denn er war gerade bei der Fütterung gewesen und brachte keinen guten Geruch mit.
    »Hab ich Sie nich schon mal jesehen?« fragte er Leonhard durchs Drahtgitter der Tür.
    »Haben Sie!« antwortete der junge Mann. »Es ist ungefähr vier Wochen her, da haben wir hier einen Hund erstanden.«
    »Ich weiß, und ich habe Ihnen ‘n jrünes Halsband gratis dazujejeben. Und jetzt wolln’se ihn wieder abholen, nich?«
    »Was heißt abholen?« fragte Leonhard etwas kurzatmig.
    »Oder wolln’se ‘nen andern? Ich hätte jetzt ‘ne jrößere Auswahl da als wie das vorichte Mal.«
    »Was heißt abholen?« fragte Leonhard zum zweitenmal.
    »Weil ihn neulich, es is vier Tage her, einer von ‘ner Wach- und Schließgesellschaft hier wieder einjeliefert hat. Er ist andauernd der Hündin vom Wachmann nach, weil’s bei der jerade soweit war, Sie wissen schon... Aber ich hab ihn jleich erkannt, trotzdem, daß er richtig ‘rausgefressen aussah und direkt jlänzend im Fell...«
    »Mann!« stieß Leonhard hervor, und wenn das Drahtgitter nicht gewesen wäre, er hätte den Wärter umarmt. »Der Poldi ist hier? Ja, Menschenskind, lesen Sie denn keine Zeitungen?«
    »Nee, wozu auch? Ich hab hier mein Auskommen. Wozu soll ich mir aufrejen? Steht ja doch nichts Jescheites drin.«
    »Da haben Sie recht. Aber nun machen Sie schon auf!«
    »Er hat aber drei Tage im Futter jestanden. Kost drei Mark. Billi-jer kann ich’s nich machen. Einen Schnauzer könnten’se für fünf haben, direkt geschenkt für so ‘nen Hund...«
    Er öffnete den Sperriegel und ließ Leonhard eintreten. Der junge Mann ging dem Wächter nach, als wage er an sein Glück noch nicht zu glauben.
    »Warten Sie besser hier«, sagte der Mann vor dem Barackeneingang, ich hol ihn lieber raus. Wenn Futterzeit is, sind die Tiere rein wie verrückt.« Er ließ Leonhard stehen, dem sich die Minuten endlos in die Länge dehnten.
    Es war ein etwas zerrupfter und zerraufter Poldi, mit dem der Wärter endlich zurückkam. Aber er war es, er war es ohne Zweifel! Auch wenn er Leonhard ohne ein Zeichen besonderer Freude über das Wiedersehen begegnete. Er wedelte zögernd mit seinem buschigen Schweif, als erwarte er Vorwürfe und womöglich mit den Vorwürfen über sein Verschwinden eine Tracht Prügel.
    »Poldi, altes, gutes Mistvieh!« sagte Leonhard fast gerührt.
    Der Hund spitzte das linke Ohr und wedelte kräftiger. In seinen braunen Augen stand ein verlegener Ausdruck, als wollte er sagen, es täte ihm leid, daß er Leonhard ausgerückt sei, aber der Drang der Natur sei leider stärker gewesen als Erziehung und gute Vorsätze...
    »Nun komm schon, du Casanova!« knurrte Leonhard und schloß die Leine ans Halsband. Er drückte dem Wärter ein Fünfmarkstück in die Hand.
    »Der Rest gehört Ihnen!« sagte er großzügig und beschloß, auch Pforten gegenüber großzügig zu sein, wenn er ihm die Belohnung abknöpfte. Diese fünf Piepen gingen auf sein Konto!
    Auf Sachrang dudelte indessen der Plattenspieler. Man tanzte in der Halle und auf der Terrasse. Eine der Damen hatte die Rolle der Barfrau übernommen und mixte die Cocktails und Flips mit solcher Kennerschaft, daß
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