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Nelken fuers Knopfloch

Nelken fuers Knopfloch

Titel: Nelken fuers Knopfloch
Autoren: Horst Biernath
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    Draußen, wo die Stadt sich schon ein wenig verkrümelte, wo es breite Baulücken und hier und da wahrhaftig schon ein Stück Land gab, das mit Kartoffeln, Getreide oder Klee bebaut war, bremste Michael Pforten plötzlich so scharf, daß Herr Clemente, der Aufnahmeleiter, fast mit dem Schädel gegen die Windschutzscheibe geprallt wäre. Der junge Leonhard, Dramaturg der Elite-Film-Produktion und Mädchen für alles, mußte sich auf dem Notsitz mit beiden Händen gegen Clementes Rückenlehne stemmen, um nicht mit einem Salto auf dem Kühler des Thunderbird zu landen. Clemente, ein Mann von gut zweieinhalb Zentnern Gewicht, kahl wie ein Ei und merkwürdigerweise auch im Gesicht splitternackt, ohne Augenbrauen, ohne Wimpern und ohne eine Spur von Bartwuchs, wischte sich mit einer für ihn typischen Bewegung mit einem Tuch von Serviettengröße den Schweiß von der Stirn und schwor fluchend, es sei nun endgültig das letztemal, daß er sich von einem Irren im Auto mitnehmen lasse. Pforten machte den Dicken kühl darauf aufmerksam, daß es bis zur nächsten Trambahnhaltestelle ein Weg von gut zwanzig Minuten sei. Er drehte sich dabei halb zu Leonhard um und grinste, als er bemerkte, daß Leonhard ein ängstliches Gesicht machte, als befürchte er, es werde seine nächste dramaturgische Aufgabe sein, den Dicken auf dem Rücken in die Stadt zurückzutragen.
    »Was wollen Sie überhaupt in dieser gottverlassenen Gegend?« fauchte Clemente und sah sich in der Vorstadtstraße um, in der es noch mehr Baustellen als Häuser gab.
    Pforten streckte die Hand wie der trinkgeldheischende Portier eines drittklassigen Hotels nach hinten. »Geben Sie mal Ihr Kleingeld, Leonhard!«
    Der junge Mann zückte gehorsam seine Börse und ließ das Hartgeld aus dem Faltfach in Pfortens Hand klingeln.
    »Wurscht kaufen!« antwortete Pforten lapidar.
    »Um Himmels willen!« stöhnte Clemente; er hatte vor einer halben Stunde ein Frühstück mit Eiern, Schinken und einem halben Dutzend Brötchen zu sich genommen.
    »Beruhigen Sie sich, die Wurst ist nicht für Sie bestimmt.«
    Der Wagen hielt vor einer Metzgerei. Sie sah appetitlich aus und schien erst in den letzten Tagen eröffnet worden zu sein, denn in den beiden Schaufenstern standen hellblau und rosa noch die Hortensienstöcke, die von der Lieferanten und Handwerkern pflichtgemäß mit den besten Wünschen für ein blühendes Geschäft und in heimlicher Sorge vor platzenden Wechseln geschickt worden waren. Das quietschende Geräusch der Bremsen hatte die Gesichter der Kunden herumgerissen; es waren ein paar Hausfrauen, die das Fleisch und die Suppenknochen für die Mittagsmahlzeit einkauften.
    Michael Pforten sah sich erkannt, und für einen Moment war er drauf und dran, umzukehren und den jungen Leonhard, zu dessen Obliegenheiten es ohnehin gehört hätte, zum Einkauf in den Laden zu schicken. Aber dann faßte er sich doch ein Herz — er mußte sich wirklich zusammennehmen, denn alles Angestarrtwerden war ihm ein Greuel — und betrat die Metzgerei. Die Damen wichen respektvoll zurück. Zum Glück waren es lauter ältere Frauen, über jenes Alter hinaus, in dem es sie noch verlockt hätte, die günstige Gelegenheit zu einer Bitte um ein Autogramm auszunutzen. Die Meistersgattin, rosig, gut durchwachsen und mit kleinen Perlgehängen in den Ohrläppchen, vollführte hinter der Kasse fast einen Knicks, während ihr Gatte, der gerade am Hackstock einen Markknochen spaltete, jeder höheren Bildung ermangelnd, keine Ahnung zu haben schien, was für ein berühmter Kunde soeben sein Geschäft betreten hatte.
    »Oh, Herr Pforten, welche Ehre! Was darf es sein? Womit kann ich Ihnen dienen? Soll es eine Portion Aufschnitt sein? Oder ein Stück von der Mastochsenlende? Saftig wie eine Birne und zart wie Butter?«
    Pforten schwenkte den schwarzen Grazer Hut mit dem kleinen Eichelhäherstoß in der dreifachen grünen Kordel und entbot der Meisterin und den übrigen Damen zunächst einen liebenswürdigen Gruß.
    »Ich brauche nichts als ein Stück Wurst, allerdings nicht für mich, sondern für einen Hund.«
    »Da schau her, für ein Hunderl!« seufzte eine der Damen, deren Foxl draußen an dem Eisengestell angebunden war, das eigentlich der Abstellung von Fahrrädern diente. »Also, was mein Schnacksi ist, der bevorzugt ja Salami — und wissen Sie auch, warum, Herr Pforten? Weil es die teuerste Wurst ist! Das weiß das Hunderl ganz genau.«
    »Nun«, murmelte Michael Pforten, »so verwöhnt dürfte
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