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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur
Autoren: Ella Theiss
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Verdachts auf Bandscheibenvorfall muss er vorerst in Cheb bleiben. Wir haben ihn in die gleiche Klinik gebracht, in der auch Valentin Hepp behandelt wird. Dafür war er uns dankbar.
    »Wir können den Artikel ja zusammen schreiben«, schlage ich vor.
    »Keine Almosen«, sagt sie, erklärt sich aber mit Gönnermiene bereit, den Text gegenzulesen – was ich wiederum ablehne.
    Ich erzähle ihr weiter, dass Richard Bruss möglicherweise selbst die Brandbombe im Heim gelegt hat, die dann zu seinem Pech zu früh losging. Dass er vermutlich auch die Sprengsätze im Verwaltungsbau der Hepps besorgt hat, nachdem sein Vater herausfand, was Valentin Hepp anlässlich der Pressekonferenz vorhatte. Dessen albernes Sit-in von Brathähnchen als Protest gegen Hühnerzuchtmethoden haben Westenberger und Bruss zum Bombenanschlag stilisiert, um den Firmenerben in Misskredit zu bringen, dann zu entführen und als elternlosen Behinderten zu verstecken. Alles mit dem Plan, ihn letztlich umzubringen.
    Tja, und als ich ihr das alles ausführlich darlege, da sagt sie, dass sie mein neues Aftershave mag, lehnt ihren Kopf an meine Schulter und schläft ein.
    Nun gut, verständlich, dass sie erschöpft und verwirrt ist. Aber immerhin hat sie Power genug, um mich herumzukommandieren. Die kleine Mira müsse möglichst rasch zurück ins Heim. Da man sie allerdings nicht direkt anfassen dürfe, sei eine Wolldecke oder etwas Ähnliches nötig, und ich könne doch ganz easy, da meine Wohnung auf dem Weg liege …
    Tja, wegen der ganzen Transaktion, die ich selbstverständlich federführend organisiere, weil sie dazu zu müde ist, kommen wir zu spät zu Gudrun Hepps Konzert. Die Vorstellung ist gerade vorbei, am Eingang wartet ein Polizeiwagen mit Rolf Westenberger auf dem Rücksitz, während das Betrugsdezernat mit dem Dezernat für Gewaltdelikte darüber diskutiert, wer die Festnahme abzeichnen soll. Überraschend kommt ein Krankenwagen mit Blaulicht angefahren. Doch dem hundertjährigen Seniorchef der Firma Hepp kann niemand mehr helfen. Er sei während der Aufführung unbemerkt und sanft entschlafen, heißt es.
    Dann müsse sich jetzt jemand um Gudrun Hepp kümmern, entscheidet meine Kollegin Karo. Und es ist keine Frage, an wen sie dabei denkt. Was sich als undankbare Aufgabe erweist, denn Gudrun Hepp ist – trotz Standing Ovations und dem wohlwollenden Lächeln meines Feuilletonkollegen Ruppig – untröstlich über den Tod ihres Onkels. Sie weint und jammert, verkündet, dass er die letzten dreißig Jahre der einzige Mensch in ihrem verdammten Leben gewesen sei, außer vielleicht Herrn de Beer, der nun auch im Krankenhaus liege …
    Als ich sie tröste und sage, dass Herr de Beer ebenso wie ihr Neffe Valentin sicherlich bald gesund zurück sein dürften und dass ihr Onkel ja nun hundert Jahre alt geworden sei, was nur wenigen Menschen vergönnt ist … und so weiter … was man in solchen Situationen eben sagt, da schluchzt sie noch herzzerreißender als zuvor und meint, für einen derart wunderbaren Menschen wie ihren Onkel seien hundert Jahre nicht genug.
    Kennen Sie den Witz von der Fee, die einem Mann einen von drei Wünschen erfüllen soll? Als Erstes wünscht er sich eine vierspurige Autobahn von Frankfurt nach New York. Geht nicht, sagt die Fee. – Also wünscht er sich eine Landesregierung, die nach fünf Jahren nicht korrupt ist. Absolut unmöglich, meint die Fee. – Dann, sagt er, wolle er wenigstens die Frauen verstehen. Die Fee windet sich und sagt: Noch mal das mit der Autobahn – wäre dreispurig auch okay?
     
    Eine kleine Überraschung birgt Onkel Hermanns Testament denn doch. Auch wenn Gudrun, wie erwartet, das Wohnhaus und zwei Drittel der Firmenanteile erbt und Valentin den verbleibenden Teil sowie einige verpachtete Weinberge an der Nahe. Nebensächlich aber kommen eine mit Rubinen besetzte antike Goldkette und passende Ohrringe für Karoline Rosenkranz ins Spiel.
    Die Mitarbeiterin ist verhuscht und verspätet bei der Testamentseröffnung erschienen, in Röhrenjeans, Turnschuhen ohne Schnürsenkel und mit viel zu viel Wimperntusche, aus der sie Gudrun entschuldigend zublinzelt: »Sorry, versteh das auch nicht.«
    Gudrun lächelt möglichst begütigend. Onkel Hermann muss es ernst gemeint haben, denn er ließ diese Ergänzung erst vor wenigen Tagen bei einem amtlichen Notar einfügen, und zwar, wie dieser vermerkt, im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte. Den Schmuck, so wurde dabei notiert, habe der Onkel vor
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