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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur
Autoren: Ella Theiss
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Mainzer Kommissar mit dem unaussprechlichen Namen. Und dass ausgerechnet Alex ihr, als sie von ihren Fesseln befreit ist, sein Altherrensakko um die schlotternden Schultern legt! Es riecht nicht mal wie sonst nach dem grässlichen Eichenmoos, sondern angenehm nach Sandelholz und Grapefruit.
    Viel zu verdattert ist sie, um zu fragen, wie er hergekommen ist. Lieber lässt sie sich sofort nach draußen bringen, wo die schwüle Augustnacht sie umhüllt wie eine Kuscheldecke.
    »Danke«, sagt Karo, halb zum lieben Gott, halb zu Alex. Schließt die Augen, atmet tief.
    Bis eine Schar Behinderter in Schlafanzügen raunend und kichernd auf sich aufmerksam macht. Bewacht wird sie von zwei Polizisten, die außerdem Kollege de Beer flankieren. Der trägt – Karo muss zweimal hinsehen – ein Wärterkostüm. Und Handschellen. Die Pausbacken sind schmerzverzerrt.
    »Ihr habt den Falschen festgenommen«, ruft Karo. »Den völlig Falschen. Westenberger müsst ihr fangen. Der ist auf dem Weg nach Mainz. Sein Sohn heißt Rick Bruss und ist der Obergauner. Der muss irgendwo hier in der Nähe …«
    Ein ohrenbetäubender Donner schneidet ihr das Wort ab. Keine zweihundert Meter hinter dem Institutsgebäude steigt eine Staubwolke auf.
    »Das Behindertenheim«, ächzt de Beer. »Da sind noch welche drin! Eingesperrt. In einem vergitterten Raum!«
    Wieso das Heim? Karo schüttelt entschieden den Kopf. Das Heim ist doch ganz weit … Oder? War die vierminütige Autofahrt nur eine von Ricks Finten? – Und wo ist Mira? Karo scannt die vor Schreck erstarrte Schar der Behinderten ab. »Mira fehlt!«, schreit sie, »Mira fehlt!«
    Alex fragt nicht lange, wer Mira sein mag, stopft Karo in sein Auto und fährt los, braust um den Block, keine Minute später sind sie da …
    Das pastellorange Zuckerbäckerhaus, in dem sie Mira zurückgelassen haben, brennt. Rauch quillt aus zerborstenen Sprossenfenstern, aus einem riesigen Loch im Dach lodert Feuer.
    »Mira!« Karo kreischt, will hineinrennen.
    Alex hält sie fest. »Sei vernünftig! Wir müssen auf die Feuerwehr warten.«
    »Sie ist das süßeste Kind der Welt, weißt du. Autistisch! Und so klug!«

Eine unendliche Viertelstunde später rollen die Löschfahrzeuge an, Wasser strömt und spritzt, Feuerwehrleute in Schutzanzügen dringen ins Haus. Nicht lange, da birgt man die halb verbrannten Körper einer blonden Frau und eines dunkelhaarigen Mannes, beide um die dreißig, wie Alex in Erfahrung bringen kann. Karo denkt sich ihren Teil, petzt die Lippen zusammen und sieht woanders hin, als die Leichen abtransportiert werden.
    Dann die Nachricht eines Polizeibeamten, dass der vergitterte Raum, den de Beer erwähnt hat, gänzlich ausgebrannt ist – keine Hoffnung auf Überlebende. Karos Herz krampft, sie schluchzt laut auf. »So süß … so klug! Und ich bin schuld, wenn sie …«
    Alex streichelt ihr unbeholfen über den Schopf.
    Langsam, ganz langsam dringt durch Karos tränenfeuchte Augenwinkel die Ahnung eines glitzernden Gewands. Es reflektiert die rotierenden Lichter des Feuerwehrwagens und wankt dabei zögerlich den Bürgersteig entlang – Karos Sternchennachthemd, garniert mit einer froschgrünen Kindergartentasche.
    »Da – da ist sie!« Karo springt auf. Das Kind dreht sich in zeitlupenartiger Allmählichkeit um, sieht Karo an. Oder doch nicht? Nähert sich unsicher, setzt sich genau an die Stelle, wo Karo zuvor gesessen hat, und packt eine grob zerlegte Straßenkarte von Cheb aus.
    Karo jubelt und weint zugleich. Und weil Mira umarmen nun mal nicht geht, wirft sie sich dem verdatterten Alex an den Hals.
     
    Spielt sie nicht großartig, unsere Gudrun! Großartig … Lehn dich zurück in deinen Rollstuhl, Hermann, genieße es! Schumann, Opus … Oder? Brahms? Du hast es wieder vergessen, Hermann, schon wieder vergessen … Doch das macht nichts. Niemand fragt. Alle lauschen, wie großartig sie spielt.
    Nichts sonst ist heute wichtig, Hermann! Dass dieser Wicht mit der Pomade im Haar hier bei dir in der Loge sitzt, Westerwelle oder so ähnlich, versuch es zu ignorieren. Nur, dass sie ihn nicht heiratet! Sag es ihr, später … Aber sag es ihr unbedingt. Sie soll Hans-Bernward heiraten. Das hat sich unsere Mutter immer gewünscht. – Wo ist denn Hans-Bernward? Hoffentlich nicht krank. Sie erzählen mir ja nichts. Damit ich mich nicht aufrege. Und wo ist der kleine Vali? Und das Fräulein Karola? Alle krank? Oder sitzen sie im Parkett? Ich hatte doch gebeten, dass das Fräulein Karola mit
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