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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm
Autoren: Johan Theorin
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Untervermietung.
    Das schlichte Wirtschaftsgebäude (Scheune aus Kalkstein und Holz) umfasst 450 m² und befindet sich in einem schlechten Zustand.
    Status: VERKAUFT.

OKTOBER

1
    E ine helle Stimme erklang in der Dunkelheit. Sie drang durch alle Räume.
    »Ma-ma?«
    Er zuckte zusammen. Der Schlaf war eine Höhle mit selt samen Stimmen und Echos gewesen, warm und dunkel, und es war schmerzhaft, ihm so plötzlich entrissen zu werden. Das Bewusstsein hatte im ersten Augenblick keine Worte für das Sein, kannte keinen Ort; es bestand nur aus verwirrten Erinnerungen und Gedanken. Ethel? Nein, nicht Ethel, aber … Katrine, Katrine . Seine Augen blinzelten nervös und suchten nach Licht im Dunkel der Nacht.
    Wenige Sekunden später wusste er wieder, wer und wo er war: Er hieß Joakim Westin. Und er lag in einem Doppelbett auf Hof Åludden im Norden von Öland.
    Und er war zu Hause. Seit gut einem Tag wohnte er hier. Seine Frau Katrine und ihre beiden Kinder hatten bereits die vergan genen zwei Monate auf dem Hof verbracht und er hatte sie am Wochenende besucht. Aber vorgestern war er mit den letzten Umzugswagen eingetroffen, um für immer zu bleiben.
    01:23. Die roten Ziffern des Radioweckers waren die einzige Lichtquelle in dem fensterlosen Raum.
    Das Geräusch, von dem Joakim geweckt worden war, war nicht mehr zu hören, aber er wusste, dass er sich nicht getäuscht hatte. Er hatte ein gedämpftes Weinen aus einem anderen Teil des Hauses gehört, von jemandem, der unruhig schlief.
    Ein regungsloser Körper lag neben ihm im Doppelbett. Katrine schlief tief und fest, sie war an den Rand des Bettes gewandert und hatte ihre Decke mitgezogen. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, aber er konnte schemenhaft die weichen Konturen ihres Körpers wahrnehmen und spürte ihre Wärme. Sie hatte die vergangenen Monate allein in diesem Zimmer geschlafen, Joakim hatte in Stockholm bleiben und arbeiten müssen und war nur jedes zweite Wochenende nach Öland gekommen. Das hatte ihnen beiden nicht besonders gut gefallen.
    Er streckte seine Hand nach Katrines Rücken aus, doch da hörte er die Stimme erneut.
    »Mam-maaa?«
    Jetzt erkannte er Livias helle Stimme. Er zog die Bettdecke beiseite und stand auf.
    Der Kachelofen in der Ecke des Zimmers strahlte auch jetzt noch eine behagliche Wärme ab, aber der Holzfußboden war eiskalt. Sie müssten auch hier den Boden neu verlegen und isolieren, so wie sie es bereits in der Küche und in den Kinderzimmern getan hatten. Aber dieses Projekt würde bis nach Neujahr warten müssen. Bis dahin würden sie sich einfach ein paar Teppiche besorgen. Und Holz. Sie benötigten günstiges Holz für die vielen Kamine, denn auf ihrem Anwesen gab es keinen Wald, in dem sie welches hätten schlagen können.
    Katrine und er würden noch einiges für das Haus besorgen müssen, ehe die richtige Kälte hereinbrach – morgen mussten sie als Erstes eine Liste anfertigen.
    Joakim hielt den Atem an und lauschte. Kein Laut war mehr zu hören.
    Der Morgenmantel hing über einem Stuhl, er zog ihn sich langsam über den Schlafanzug, stieg über zwei Umzugskartons und ging hinaus in den Gang.
    Beinahe wäre er in die falsche Richtung gelaufen. In ihrem alten Haus in Stockholm war es rechts zu den Kinderzimmern gegangen, hier musste er nach links.
    Das Elternschlafzimmer war in einer der kleineren Kammernin dem großen Labyrinthsystem des Hofes untergebracht. Der Gang, wo sich mehrere Umzugskartons an der Wand entlang stapelten, führte in eine große Diele mit vielen Fenstern. Sie gingen auf den kopfsteingepflasterten Innenhof, der von zwei Seitenflügeln flankiert wurde.
    Hof Åludden öffnete sich zum Meer und nicht zum Landes inneren. Joakim stellte sich an ein Fenster und betrachtete die Küstenlinie hinter dem Zaun.
    Ein rotes Licht blinkte unten am Wasser. Es gehörte zu den beiden Leuchttürmen, die auf kleinen, aufgeschütteten Inseln im Wasser standen. Das Licht des südlichen Leuchtturms strahlte über Tanghaufen am Strand bis weit hinaus in die Ostsee, der nördliche Leuchtturm hingegen war dunkel. Katrine hatte ihm erzählt, dass er nie leuchtete.
    Er hörte den Wind um das Haus sausen und sah, wie sich unruhige Schatten am Fuß der Leuchttürme bewegten. Wellen. Er musste sofort an Ethel denken, obgleich die Kälte sie umgebracht hatte und nicht die Wellen.
    Das war erst zehn Monate her.
    Zaghafte Laute hatten sich im Dunkeln wieder gemeldet, aber jetzt waren sie nicht mehr wimmernd. Es klang vielmehr, als
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