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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm
Autoren: Johan Theorin
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würde Livia leise Selbstgespräche führen.
    Joakim ging den Gang zurück und betrat leise Livias Zimmer, das nur ein Fenster besaß und in dem es pechschwarz war. Eine grüne Jalousie mit fünf rosa Schweinchen, die im Kreis tanzten, hing vor dem Fenster.
    »Weg …«, sagte eine helle Mädchenstimme in der Dunkelheit. »Weg.«
    Joakim stieß mit dem Fuß gegen ein weiches Stofftier und hob es auf.
    »Mama?«
    »Nein«, antwortete er. »Es ist der Papa.«
    Er hörte die leisen Atemzüge in der Dunkelheit und erahnte schemenhaft die schläfrigen Bewegungen des kleinen Körpers unter der geblümten Decke. Er beugte sich über das Bett.
    »Schläfst du?«
    »Was?«
    Livia hob den Kopf.
    Joakim legte das Stofftier auf ihr Kopfkissen.
    »Foreman ist auf den Boden gefallen.«
    »Hat er sich wehgetan?«
    »Nein … ich glaube, er ist noch nicht einmal aufgewacht.«
    Sie legte ihren Arm um ihren kleinen Liebling, ein zweibeiniges Stofftier mit Schafskopf, das sie letzten Sommer zusammen auf Gotland gekauft hatten. Die eine Hälfte war ein Schaf, die andere menschenähnlich. Joakim hatte diese merkwürdige Figur Foreman getauft, nach dem Boxer, der vor einigen Jahren im Alter von fünfundvierzig sein Comeback gefeiert hatte.
    Er streichelte Livia zaghaft über die Stirn. Ihre Haut war kühl. Sie entspannte sich und kuschelte sich ins Kissen, um einen Augenblick später zu ihm hochzuschauen.
    »Bist du schon lange hier, Papa?«
    »Nein«, erwiderte Joakim.
    »Es war jemand da«, sagte sie.
    »Das hast du geträumt.«
    Livia nickte und schloss die Augen. Sie befand sich bereits wieder auf dem Weg in den Schlaf.
    Joakim richtete sich auf, wandte den Kopf und sah den schwachen Lichtschein des Leuchtturms durch die Jalousie dringen. Vorsichtig hob er die eine Ecke der Jalousie wenige Zentimeter hoch. Das Fenster zeigte nach Westen, und von hier konnte man den Leuchtturm gar nicht sehen. Aber sein rotes Licht schien über die leeren Felder hinter dem Hof.
    Livias Atemzüge waren wieder gleichmäßig, sie schlief tief und fest. Morgen früh würde sie sich gar nicht erinnern können, dass er in ihrem Zimmer gewesen war.
    Er warf noch einen Blick in das andere Kinderzimmer. Dieses war zuletzt renoviert worden, Katrine hatte es tapeziert und möbliert, während Joakim sich in Stockholm um die Endreinigung des alten Hauses und die Umzugsformalitäten gekümmert hatte.
    Dort war es ganz still. Gabriel, zweieinhalb Jahre alt, lag wie ein regungsloses Bündel in seinem kleinen Gitterbett. Seit einem Jahr legte er sich jeden Abend um acht Uhr ins Bett und schlief fast zehn Stunden am Stück. Der Traum aller Kleinkind eltern.
    Joakim drehte sich um und lief den Gang hinunter. Das Haus knackte und knarrte, es klang fast wie Schritte.
    Katrine schlief ebenfalls tief und fest, als er zurück ins Bett kletterte.
    Am Vormittag desselben Tages hatte die Familie Besuch von einem freundlich lächelnden Mann um die fünfzig bekommen. Er hatte an der Küchentür an der nördlichen Stirnseite geklopft, und Joakim hatte in Erwartung eines Nachbarn gleich geöffnet.
    »Hallo, ich bin Bengt Nyberg von der Ölands-Posten «, stellte er sich vor.
    Nyberg stand auf der Treppe, vor seinem dicken Bauch baumelte eine Kamera, und er hielt seinen Notizblock gezückt. Etwas zögerlich schüttelte Joakim dem Journalisten die Hand.
    »Ich habe von großen Möbeltransporten gehört, die in den letzten Wochen nach Åludden gefahren sind«, begann Nyberg, »deshalb hatte ich gehofft, Sie zu Hause anzutreffen.«
    »Ich bin gerade eingezogen, der Rest der Familie lebt hier schon eine Weile«, antwortete Joakim.
    »Sind Sie in Etappen hierhergezogen?«
    »Ich bin Lehrer«, erklärte Joakim. »Ich war gezwungen, noch zu arbeiten.«
    Der Reporter nickte.
    »Darüber müssen wir natürlich berichten«, sagte er, »das verstehen Sie sicher. Im Frühling hatten wir eine kurze Notiz veröffentlicht, dass Åludden verkauft worden ist, und jetzt wollen die Leute selbstredend wissen, wer die Käufer sind …«
    »Wir sind eine ganz normale Familie«, unterbrach ihn Joakim. »Schreiben Sie das.«
    »Wo kommen Sie denn her?«
    »Aus Stockholm.«
    »Ah, wie die königliche Familie«, sagte Nyberg. Er sah Joakim fest in die Augen. »Werden Sie dann auch wie die Königin nur im Sommer hier wohnen, wenn es warm und sonnig ist?«
    »Nein, wir bleiben das ganze Jahr über hier.«
    Katrine war dazugekommen und hatte sich neben ihren Mann gestellt. Joakim warf ihr einen kurzen Blick
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