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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)
Autoren: Antonia Michaelis
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ihrem besetzten Haus Partys zu feiern.
    Die Polizei ging dem Fall noch eine Weile nach und schloss dann die Akte.
    Die Verhandlung war kurz.
    Nils sagte zugunsten von Gunnar aus. Er hatte ihn nur von einer Party nach Hause gehen sehen, bei den Roßwiesen. Grob in der Nähe des ersten Mordes. Nichts weiter.
    Gunnar wurde freigesprochen. Mangel an Beweisen. Und außerdem war jedem klar, wer der wahre Mörder war. Ein zutiefst gestörtes Kind. Tragisch genug.
    Es kam nicht zu einer weiteren Verhandlung.
    Gunnar kündigte in der HNO , um zusammen mit Julietta die Stadt zu verlassen. Er fand eine Stelle in Hamburg. An dem Tag, an dem er Julietta heiratete, schwieg Svenja vierundzwanzig Stunden lang, obwohl er es natürlich nicht merkte. Ungefähr ein Viertel der Zeit stand sie, in Intervallen, auf dem Kopf vor dem Wagen. Die ganze Bauwagensiedlung wusste, dass sie ein wenig seltsam war.
    Sie kamen alle und stellten sich dazu.
    Auf den Kopf.

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    Das Messer ist scharf.
    Über die Hand, die es hält, läuft ein langer Schnitt: Ergebnis eines Versuchs, die Klinge zu testen. Das Messer ist scharf, scharf genug. Das ist wichtig.
    Er wird nicht schreien. Er wird nicht zum Schreien kommen.
    Er schläft.
    Durchs Fenster, von außen, konnte man es sehen. Es war übrigens nicht schwierig, hereingelassen zu werden, man brauchte nur irgendwo zu klingeln: »Die Zeitung!« Irgendwer hat den Summer gedrückt. Die Wohnungstür war nicht so leicht zu öffnen. Aber man kann ja im Vorfeld die notwendige Recherche betreiben, geduldig beobachten, man kann Schlüssel entleihen, wenn sie unter der Fußmatte liegen, kann sie nachmachen lassen.
    Als die Hand, die kein Messer hält, den Schlüssel im Schloss dreht, geschieht das lautlos.
    Das Schlafzimmer liegt am Ende des Flurs, zur Rechten. Dort also schläft er.
Sie
ist nicht da, auch das wurde recherchiert, er ist alleine heute Morgen. Durchs Fenster hat er so jung ausgesehen, unschuldig träumend hinter seinen geschlossenen Augenlidern.
    Lautlos sind auch die Schritte im Flur, der Teppichboden schluckt sie, stiller Komplize. Auch die Schlafzimmertür lässt sich sehr leise öffnen. Ja, da liegt er, reglos, im Tiefschlaf gefangen. Er wird diesem Tiefschlaf nie wieder entrinnen. Ach, beinahe will man ans Bett herantreten und ihm übers Kastanienhaar streichen wie einem kleinen Kind, zärtlich. Beinahe will man seinen Namen flüstern.
    Gunnar! Gunnar!
    Seine Sommersprossen schlafen alle so tief wie er. Er ist noch immer hübsch; ein Mann mit einem Jungengesicht, selbst wenn die müden Schatten unter seinen Augen nicht zu übersehen sind.
    Das Bettzeug ist hellblau mit winzigen weißen Punkten; das rote Blut wird darauftropfen wie Farbe auf eine Leinwand. Das ist vielleicht auch hübsch. Kater Carlo könnte es malen. Auf eine Hauswand.
    Sie steht vor seinem Bett und denkt an die anderen.
    Komisch, die letzten Tage, hier in der Stadt, hat sie gar nichts gedacht. Sie hat recherchiert, sie hat den Schlüssel besorgt, sie hat einen Plan gemacht. Es war alles rein rational und logisch, die Gefühle und Erinnerungen kommen erst jetzt wieder. Und die Stimmen, die Stimmen der anderen von zu Hause. Sie hat alle diese Stimmen mitgenommen.
    Sie ist nicht allein.
    »Tu es nicht, Svenja.« Das ist Katleens Stimme. »Du machst dir dein Leben kaputt. Es liegt noch vor dir, das ganze verdammte Leben. Alle Chancen …«
    »Vergiss den Plan.« Thierry. »Wir machen einen besseren. Es gibt doch Leute, die so was für einen erledigen, professionell sozusagen …«
    »Wir fahren mit, und warten wir auf dich in Auto. Wir sind Fluchtwagen.« Kater Carlo. Sie lächelt, während sie an seine Sätze denkt.
    »Also gut. Wenn es sein muss.« Friedel. »Ich mach’s für dich. Wenn sie
mich
einsperren, ist es nicht so schlimm. Ich weiß sowieso nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll, wenn ich das Studium geschmissen hab … sagte … sagte der Diskuswerfer und schleuderte seinen Studentenausweis übers Spielfeld.«
    Sie lacht leise über den Witz, der nicht witzig ist. Sie mag sie alle so sehr, dass es schmerzt, für ihre Hilfsangebote, ihre Einwände, ihre dummen Witze.
    »Nein, Friedel«, hatte sie gesagt. »Diese Sache muss ich selber erledigen. Und keiner von euch kommt mit, keiner. Ihr bleibt schön hier. Nur ich fahre nach Hamburg. Ich besuche Gunnar ganz allein.«
    Sie sieht das Messer an. Katleen hat die Klinge geschliffen. Es ist ihr Messer. Das, das Nashville ihr geklaut hat. Sie
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