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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)
Autoren: Antonia Michaelis
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blaues Auge geschlagen hat. Er wird zur Arbeit gehen und an alle Orte, an die er immer geht … versuchen, alles zu leugnen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber wenn du ihnen die Wahrheit sagst, ist es sowieso aus für ihn. Ich … ich kann immer noch nicht ganz glauben, dass er das wirklich getan hat … Es war eine klinisch gründliche Art, hinter sich aufzuräumen. Aber es war nicht nur das, er hat sie nicht nur beseitigt, weil er dachte, sie wüssten zu viel. Es war auch das Prinzip. Beim ersten Mal ist es aus Wut passiert und weil er so besoffen war … und Sirja, die Löwin, hat ihn auf die Idee mit dem Messer gebracht. Mit Messern kann er natürlich gut umgehen. Verdammt.«
    Sie merkte, dass ihre Erzählung wirr war, aber es war egal, vielleicht sprach sie nur mit sich selbst.
    »Nancy ist auch tot«, sagte sie. »Weißt du, dieses Prinzip, nach dem er lebt … Es bedeutet, dass er von sich selbst und von jedem das Äußerste verlangt. Er lässt keine Schwächen und keine Schwachen zu. Ein grausames Prinzip.«
    Sie strich Nashville übers Haar, das immer noch dreckverklebte, verfilzte, fellartige Haar, sie streichelte ihn wie ein Tier, das sich auf dem Bett zusammengerollt hatte. »Ich glaube, tief in seinem Herzen ist Gunnar Holzen ein unvorstellbar unglücklicher Mensch«, sagte sie leise. »Getrieben. Das ist das Wort. Er ist getrieben von der Idee, dass alles ideal zu sein hat …«
    Sie sah, dass Nashville die Augen geschlossen hatte, beinahe zugekniffen. Als wollte er nicht mehr hören. Oder als müsste er die Außenwelt ausschließen, um einen wichtigen Gedanken ganz allein zu denken.
    Unsinn, dachte sie. Er schlief nur, er war erschöpft.
    Sie war auch erschöpft. Sie ließ sich zurück aufs Bett sinken und schlief ebenfalls ein.
    Ein tödlicher Fehler.
     
    Als sie aufwachte, war der Platz neben ihr leer. Sie wachte auf, weil Friedel sie schüttelte.
    »Svenja!«, rief er. »Svenja, wo ist er? Was ist passiert?«
    »Ich … ich weiß nicht«, murmelte Svenja verwirrt. Ein Teil von ihr war noch gefangen im Schlaf. Sie hatte geträumt, wunderschön: Im Traum war sie mit ihrer Mutter und Nashville zusammen über den Strand gelaufen, und er hatte gelacht …
    Katleen setzte sich aufs Bett und nahm Svenjas Gesicht zwischen ihre kühlen Hände.
    »Er ist weg«, sagte sie. »Die Haustür unten stand offen.«
    »Er war wach zwischendurch«, sagte Svenja. »Es ging ihm erstaunlich gut. Wir haben geredet … nein, ich habe geredet.«
    »Wann war das?«
    Svenja sah auf die Uhr über dem Herd.
    Sie hatte gar nicht so lange geschlafen. Die Uhr zeigte Viertel nach sechs. »Vielleicht vor einer Viertelstunde? Ich weiß nicht genau. Als ich eingeschlafen bin, hat er auch geschlafen. Oder …« Sie schluckte. »Oder so getan.«
    »Was war das Letzte, das du gesagt hast?«, fragte Friedel. »Erinnere dich, Svenja. Bitte. Wir können ihn nicht noch einmal verlieren! Er rennt da draußen rum und bricht uns irgendwo zusammen … Was hast du gesagt? Irgendwas, was das ausgelöst hat? Dass er weggelaufen ist?«
    »Nein, ich …« Sie überlegte. »Ich habe ihm davon erzählt, was wir später alles machen können …«
    Was hatte sie zuletzt gesagt? Als er die Augen zusammengekniffen hatte, als müsste er sich auf irgendetwas konzentrieren?
    »Ich habe gesagt«, murmelte sie, »dass ich glaube, tief in seinem Herzen ist Gunnar Holzen ein unvorstellbar unglücklicher Mensch.«
    Dann sprang sie vom Bett auf.
    »Gunnar«, wiederholte sie. »Gunnar Holzen.«
    »Ja?«, fragte Friedel. Sein Vater stand nur still neben ihnen und machte ein ratloses Gesicht.
    »Es war das erste Mal, dass jemand von uns seinen Namen genannt hat!«, sagte Svenja. »Versteht ihr?
Versteht ihr?
Er wusste es nicht. Er hat sich in diese Falle locken lassen, aber er wusste nicht, wer ihn hineingelockt hat. Wir dachten das die ganze Zeit, aber er wusste nicht, wer der Mörder ist!«
    Sie starrte den Tisch an wie einen völlig unbekannten Fremdkörper. Sie zählte.
    Eines fehlte. Eines der Messer. Sirjas Messer.
    »Scheiße«, sagte sie. »Wenn er es geschafft hat, bis nach unten zu kommen, schafft er es auch weiter.«
    »Wo ist Gunnar um diese Uhrzeit?« Ihre Stimme war wieder ganz Katleen, kalt und sachlich.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Svenja. »Entweder zu Hause oder im Café, mit seinen Büchern und dem Laptop. Da, wo der kleine Metallkönig Rad fährt.«
    »Erst das Café«, sagte Friedel knapp.
     
    Sie fuhren mit den Rädern.
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