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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman
Autoren: Franziska Dalinger
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ihm nach. In seinem rasenden Zorn schreckte ihn nicht einmal die Pistole ab.
    »Warte!«, rief Michael, der sich neben Philipp kniete. »Finn, was hast du angerichtet?«
    Der Junge lag blutüberströmt auf dem Boden. Daniel schluckte seinen Ärger hinunter. Wenn das Messer nicht gewesen wäre, hätte Finn wahrscheinlich gar nicht geschossen. Doch jetzt ... er hatte immer weniger zu verlieren.
    »Nicht schlimm«, stöhnte Philipp mit gequältem Gesicht. »Schnappt ihn euch.«
    Michael zog sein Hemd aus und presste es an Philipps Schulter.
    »Finn!«, brüllte er. »Jetzt hörst du mir zu! Das muss ein Ende haben!«
    Finn lachte wild. »Ausgerechnet du willst mir Vorschriften machen? Du bist schwach, Michi. So schwach. Du warst nie bereit, Gottes Willen zu tun. Stattdessen lässt du dieses ganze Geschmeiß in unsere Gruppe. Durchmischst du die Heiligen mit den Unreinen. Ist es so schwer, gradlinig zu sein? Ein Jünger zu sein und sonst nichts? Du bist viel zu sehr darauf bedacht, es allen recht zu machen. Du hast viel zu große Angst. Aber ich bin bereit zu gehorchen.«
    Er richtete die Waffe auf Bastian. »Zurück! Ich meine es ernst!«
    »Was hast du mit Tine gemacht?!«, schrie Basti.
    »Ich habe sie beschützt! Vor dir und solchen wie dir!« Er weinte fast. »Ich muss das tun«, keuchte er. »Sonst hört das niemals auf.« Er spannte den Abzug. »Ich liebe Tine. Ich bin bereit, mein Leben für sie zu geben.«
    Bastian konnte ihn nur anstarren. Daniel bückte sich ganz langsam nach einem Stein.
    »Runter!«, schrie er, und während Bastian sich zur Seite warf, schleuderte Daniel den Stein auf Finn.
    Dieser schrie auf vor Schmerz und Ärger. Ein Schuss knallte, Gesteinssplitter spritzten vor Daniel auf.
    »Das habt ihr jetzt davon!«, schrie Finn, »jetzt muss ich es zu Ende bringen!« Er sprang über die nächste Betonmauer und war aus ihrem Blickfeld verschwunden.
    »Die Mädchen!«, schrie Bastian. »Schnell!«
    Sie tasteten sich über das Gelände. Ein paar Brombeerranken verbargen einen weiteren Schacht. Dann endlich ein weiterer Eingang, der noch intakt schien.
    »Da runter!«, rief Bastian, dann zögerte er kurz. »Oder warten wir auf die Polizei?«
    »Nein«, sagte Daniel leise. »Ich fürchte, dass es dann zu spät ist.«
    Die Stufen führten steil in die Tiefe, ins Dunkle. Daniel musste sich bücken, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Der Schacht führte geradewegs unter die Erde, zwischen den grauen Mauern. Hier unten war alles niedrig, und es war so dunkel, dass die schwere Tür am Ende des Ganges kaum zu erkennen war.
    »Nein!«, kam der Schrei von innen. Und dann eine weitere Stimme, hoch, eine Mädchenstimme. »Oh Gott, Finn, nein!«
    »Auf drei«, sagte Daniel. »Dann gehen wir rein. Eins, zwei ... und drei.«

22.
    Es ist kalt hier unten in unserem Gefängnis. Kalt und ungemütlich. Wir haben nur eine Matratze und eine dünne Decke. Einen Eimer, zum Glück mit Deckel. Manchmal, wenn es draußen regnet, tropft Wasser oben durch die Decke. Es gibt keinen Strom, daher müssen wir mit unserer Taschenlampe auskommen. Ab und zu bringt Finn uns neue Batterien, denn er findet es wichtig, dass wir in unseren Bibeln lesen können. Trotzdem gehen wir sparsam mit der Lampe um, denn nichts wäre schlimmer, als wenn sie plötzlich ausgeht.
    Ich werde nie vergessen, wie ich aufgewacht bin. Mein Kopf schmerzte, Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich wollte mich aufrichten, und dabei war mir so schwindlig, dass ich gleich wieder umgekippt bin.
    »Ganz ruhig. Nicht bewegen.«
    »Tine?«
    Ich konnte es nicht fassen. Tine kniete neben der Matte, auf der ich lag. Der Lichtstrahl streifte ihr Gesicht, daher wirkte sie wie ein Engel in der Nacht, mit weißer Haut und großen Augen.
    »Was ist denn jetzt los?« Ich brauchte eine Weile, um mich an die Bootsfahrt zu erinnern. An das Glitzern der Sonne auf dem Aubach. Weidenblätter in meinem Gesicht. Deswegen wusste ich trotzdem nicht, wie ich hergekommen war. »Wo sind wir?«
    Das konnte Tine mir nicht sagen. »Es ist ein Keller oder so was. Aber hier wohnt niemand. Es hat keinen Zweck, um Hilfe zu rufen.« Sie drückte meine Hand. »Es tut mir so leid. Das ist alles meine Schuld.«
    Sie dachte das wirklich. Es dauerte eine Weile, bis ich die ganze Geschichte aus ihr herausbekommen hatte, wobei sie unzählige Tränen vergoss. Von Finn erzählte sie, davon, wie ihr erst klar wurde, dass sie ihn nicht liebte, als er sie heiraten wollte. Sie und Finn, bis an ihr Lebensende?
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