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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman
Autoren: Franziska Dalinger
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heult.
    Finn schüttelt mich brutal ab. Ich falle gegen die Wand und muss mit ansehen, wie er sich mir zuwendet. »Das war’s wohl«, sagt er. »Ich hatte so viel Geduld mit dir, Miriam. Aber du verstehst es einfach nicht. Immer musst du gegen mich ankämpfen.«
    Von draußen höre ich Stimmen.
    »Hier sind wir!«, schreie ich.
    Die Tür ist nur angelehnt. Er hat keine Zeit gehabt, sie wieder abzuschließen. Und dahinter sind Helfer, ist vielleicht jemand, der uns retten wird.
    »Das ist ein Albtraum«, stöhnt Finn. »Das kann nie und nimmer real sein.« Er richtet die Waffe auf mich.
    »Oh nein, Finn!«, kreischt Tine.
    Er dreht sich zur Tür um. Ich warte keine Sekunde. Von der Wand, an die ich gedrückt sitze, stoße ich mich ab und trete ihm voll gegen die Beine.
    Finn taumelt zur Seite. Die anderen stürmen herein. Der Schuss löst sich, geht gegen die Wand. Bastian und Daniel stürzen sich auf Finn, ringen ihn nieder. Er umklammert die Pistole, Daniel kniet auf seinem Arm, da krabbelt Tine näher und löst Finn vorsichtig die Waffe aus den Fingern. Er bäumt sich auf, wehrt sich, bekommt einen Arm frei, versucht nach Tine zu greifen.
    »Nimm das, Bruder«, sagt Daniel und verpasst Finn eine Rechte, dass ihm das Blut aus dem Mund spritzt.
    Bastian steckt die Pistole in den Hosenbund und beugt sich über Tine. »Alles in Ordnung?«, fragt er.
    Dieses Bild werde ich nie vergessen: wie Sebastian, der starke, wilde Basti, Tine hochhebt, als sei sie leicht wie eine Feder. Wie sie ihren Kopf an seine Schulter schmiegt. Wie er sie nach draußen trägt.
    Jetzt endlich kriegen wir Verstärkung. Dominik und Niklas stürmen herein, zerren Finn hoch, schleppen ihn zur Treppe. Daniel bleibt erschöpft am Boden hocken.
    Ratlos starrt er auf seine blutigen Hände.
    Er ist hier, um mich zu retten, aber mir kommt es vor, als würde ich ihn retten, als ich die Hand auf seine Schulter lege. »Daniel«, flüstere ich.
    »Du lebst. Ich wusste es.«
    »Finn hat gesagt, ihr würdet alle an meinen Tod glauben.«
    Ein schwaches Lächeln gleitet über sein erschöpftes Gesicht. »Finn hat sich geirrt.«
    Die Luft oben riecht herrlich. Nach Wald, nach Blumen, nach Gras. Nie zuvor habe ich so schöne Luft eingeatmet. Ich blinzele ins Sonnenlicht. Meine Augen schmerzen so, dass ich kaum sehen kann. Überall sind Leute.
    »Miriam!« Diese freudige Stimme gehört Michael. Er ragt wie ein Riese vor mir auf und spendet mir Schatten, deshalb könnte er meinetwegen ewig da stehenbleiben. »Gott sei Dank! Daniel, was ist da unten passiert?«
    Bastian lässt Tine vorsichtig runter. Sie klammert sich an seinen Arm.
    »Die Polizei ist unterwegs«, verkündet Jackson, was vermutlich das erste Mal in seinem Leben ist, dass ihn das freut. Auch Tom ist da.
    Irgendwie ist mir das alles zu viel. Ich weiß nicht mehr, welche Rolle ich spielen soll. Tine ist in Sicherheit, ich muss sie nicht aufmuntern, und plötzlich fühle ich mich ganz klein und schwach.
    Plötzlich reißt Finn sich los, stürzt nach vorne, wirft Bastian um und hält die Pistole in der Hand.
    »Nein!« Daniel macht einen Satz nach vorne, aber Michael ist schneller, stößt ihn zur Seite und hechtet auf Finn los. Die Zeit steht still. Einen Moment scheint Finn zu zögern, da ist die tödliche Waffe – auf wen soll er zielen, auf Bastian? Oder auf sich selbst? Ein Augenblick, in dem die Erde aufhört, sich zu drehen.
    Dann ist Michael bei ihm.
    Der Schuss ist ohrenbetäubend. Es ist, als würde er die ganze Welt zerreißen. Und Michael stürzt zu Boden, schwer wie ein Stein.
    Ungläubig starrt Finn auf ihn herunter. »Nein«, sagt er. »Nein, das wollte ich nicht. Nein, ich wollte doch nur ...«
    Daniel kniet neben Michael. »Er ist tot!«, schreit er. »Du hast ihn umgebracht!«
    Jetzt kommt die Polizei. Glaube ich. Denn plötzlich knicken mir die Beine unter dem Körper weg und peinlicherweise werde ich ohnmächtig.
    Gut, so besonders peinlich ist es auch wieder nicht. Man kann eben nicht ewig cool tun.
    Ich falle.
    Tom ist da und fängt mich auf.

23.
    Eine Schale mit Blumen. Einer nach dem anderen tritt vor und wirft eine Rose auf das Grab.
    Mein Vater hat so schöne Worte gefunden, dass ich weine. Von der Liebe und vom Tod und von der höchsten Liebe von allen: wenn man sein Leben gibt für seine Freunde.
    »Die Liebe hört niemals auf«, sagt er. »Auch wenn manche sie missbrauchen. Wenn Leute wie Finn diese Worte missbrauchen und für ihre Zwecke benutzen, um andere zu
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