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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter
Autoren: Alfred Komarek
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Ziel und freute sich auf den Stoffen in Sarstein, das kleine Bauernhaus, wo er im vergangenen Jahr gewohnt hatte. Er seufzte. Wäre nur alles in der Welt so unverrückbar gewiss wie der Schnaps in Maria Schlömmers Küche, der Hut auf Hubert Schlömmers Kopf und der Dachstein vor dem Fenster.
    Endlich angekommen, bremste Käfer sachte, stieg aus und schaute sich ratlos um. Über einen Meter hoch lag der Schnee. Ein schmaler Weg zur Haustür war freigeschaufelt, und ein Parkplatz, auf dem ein tiefschwarzer Geländewagen stand, gewaltig groß, unverhüllt aggressiv und überzeugend hässlich.
    „Bist auch wieder da?“
    Käfer wandte den Kopf und sah Hubert Schlömmer vor das Haus treten.
    „Hubert! Das freut mich aber!“
    Wortlos ging Schlömmer auf Käfers Fahrzeug zu und bog das dünne Blech eines Kotflügels nach oben. Dann schaute er zum Geländewagen hin. „Zu dem kannst Auto sagen.“
    „Kommt auf den Brutalisierungsgrad des Stilempfindens an. Wohin jetzt mit meiner Ente?“
    Schlömmer deutete mit dem Kinn auf den Wegrand, ging zum Haus und kam mit einer Schaufel zurück, die er Käfer überreichte. „Wird dir wenigstens warm!“
    Daniel Käfer war sprachlos, und sein Gegenüber schien alles gesagt zu haben. Da standen sie also, und das Schweigen zwischen den beiden war irgendwie ohrenbetäubend.
    Nach einer kleinen Ewigkeit grinste Hubert Schlömmer, griff zur Schaufel und warf sie in den Schnee. „Zehn Meter weiter beim Nachbarn ist Platz.“
    Daniel Käfer roch am leer getrunkenen Schnapsglas und betrachtete zufrieden die ihm wohlvertraute Küche. „Die Wohnung in München ist geräumt, in Graz gibt mir mein Bruder ein Notquartier. Aber hier bin ich zuhause.“
    „Meinst halt.“ Hubert Schlömmer stand auf und wandte sich zum Gehen. Seine Frau setzte sich an den Küchentisch. „Wo ist die Sabine?“
    „Kommt nach.“
    Sie füllte die Gläser ein zweites Mal. „Hätt ich dir gar nicht zugetraut, Daniel.“
    „Was?“
    „So einen Freund.“
    „Freund? Welchen?“
    „Den mit dem Auto da draußen.“
    „Dieses martialische Ungetüm meinst du?“
    „Hundertzwölftausend Euro.“
    „Da hat einer zu viel Geld oder zu wenig Verstand.“
    „Du bist neidig. Außerdem zahlt’s die Firma. Der Herr Puntigam ist so was wie ein Direktor.“
    „Puntigam? Lass mich nachdenken … Bruno Puntigam vielleicht?“
    „Das ist er. Du hast mit ihm in Graz studiert, sagt er.“
    „Ja, hab ich. Das war vielleicht einer. Gelernt hat er nie, aber durchgekommen ist er immer. Frauen waren Spielzeug für ihn, aber er war ihr strahlender Held.“
    „Und du warst eifersüchtig.“
    „Klar. Und nie sein Freund. Wundert mich eigentlich, dass es den noch gibt.“
    „Warum?“
    „So einer hat viele Feinde. Betrogene Ehemänner, rachsüchtige Weiber, das Finanzamt …“
    „Jetzt hörst einmal auf. Nur weil einer ein gestandenes Mannsbild ist.“
    „Bist du also auch schon so weit?“
    Frau Schlömmer stand auf, trat hinter Daniel Käfer und massierte sanft seine Schultermuskeln. „Ich mit dem? Als ob der Hubert nicht einer zu viel wär. Und jetzt bist du ja auch wieder da. Aber noch was. Du schläfst im anderen Zimmer diesmal, mit dem Loser vor dem Fenster.“
    „Wie bitte?“
    „Na ja, bei diesem Menschen kannst verflucht schwer nein sagen. Du wirst inzwischen wissen, wie der Dachstein ausschaut, hat er gemeint. Und für ihn ist er halt neu. Außerdem gäb’s im größeren Zimmer zwei getrennte Betten, das wär doch viel vernünftiger für ein älteres Paar.“
    „Sehr witzig.“

2
    Daniel Käfer hatte seinen Studienkollegen als exzessiven Langschläfer in Erinnerung. Darum ging er am nächsten Tag frühmorgens nach unten, um beim Frühstück noch Ruhe zu haben. Doch zu seiner Überraschung sah er ihn am Küchenherd stehen und zwei Eier in eine Pfanne schlagen, in der Speckscheiben brutzelten. Puntigam hörte Käfers Schritte, schob schnell die Pfanne vom Feuer und breitete die Arme aus: „Daniel, mein Guter! Du musst mir einfach glauben, dass ich mich ehrlich und innig freue, dich zu sehen!“ Er ging auf Käfer zu und legte die Hände auf dessen Schultern. „Es ist doch nicht zu fassen: Noch immer dieser schüchterne Lausbub im Gesicht und noch immer dieses unkeusche Märchen in den Augen! Magst du Speck mit Ei haben? Ich teile gern mit dir. Die Frau Schlömmer hat noch im Stall zu tun.“
    Käfer lächelte unsicher. „Hallo Bruno. Lange her, wie?“
    „Tausend Jahre und ein Tag – mindestens. Und
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