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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter
Autoren: Alfred Komarek
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Jahrhundert halten – von ein paar verschämten Modernismen abgesehen. Nach außen hin kommunizieren wir besser, aber lange nicht so gut, wie wir sollten und könnten. Darum möchte ich uns einen neuen Internet-Auftritt verpassen, ein umfassend durchdachtes elektronisches Erscheinungsbild, das einfach so gut ist, wie wir sind.“
    „Nette Aufgabe.“
    „Nett und beunruhigend komplex. Na klar, diese Homepage muss den Konzern kreativ und witzig präsentieren, informativ und funktionell sein. Aber es geht vor allem auch auch um eine Wirkung von außen nach innen, ich will Lust auf eine geistige Entrümpelungsaktion machen. Aber – und das bleibt jetzt unter uns – ich bin wieder einmal ein wenig überfordert.“ Bruno Puntigam hatte plötzlich ein scheues Lächeln im Gesicht. „Willst du mir helfen, Daniel?“
    „Von Homepages versteh ich kaum was.“
    „Aber du bist ein Publizist von Rang.“
    „Weißt du Bruno, von irgendwelchen dubiosen Konsulentengeschichten hab ich eigentlich die Nase voll.“
    „Wer redet davon, Daniel? Ich muss dir noch etwas über unser Haus erzählen. Bei uns hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass es sich lohnt, mit Menschen aufrichtig und anständig umzugehen, ob Kunden, Partner oder Mitarbeiter.“
    „Mir kommen die Tränen.“
    „Ich werde sie trocknen. Unsere Menschenliebe ist natürlich auch Kalkül. In deinem Fall: Noch hat der Name Daniel Käfer Strahlkraft, und die sähen wir gerne in unserem Haus leuchten – mit wieder zunehmender Helligkeit. Du bist schlecht behandelt worden. Wir behandeln dich gut – das nützt so nebenbei auch unserem Image.“
    „Und mein Buchprojekt?“
    „Werden wir sachte, aber rasch und bestimmt an uns ziehen. Ich nehme doch an, dass dein angeblicher Freund Heinz Rösler nicht scharf darauf ist, in unseren Tageszeitungen und Magazinen nachlesen zu müssen, wie er mit dir umgesprungen ist.“
    „Erpressung also.“
    „Welch garstig Wort, Daniel. Ich brauche dich als Alter Ego! Unkonventionell und kreativ sind wir beide. Aber ich kann die bessere Show liefern und du die bessere Substanz. Was meinst du? Führungsposition gleichrangig im Team mit mir, Spitzengehalt, jede Menge Freiheit. Natürlich kannst du dir Mitarbeiter suchen. Und wenn dein Dienstauto eine Dienstente sein soll – meinetwegen. Vielleicht künstlerisch gestylt? Jeff Koons oder so?“
    „Baselitz.“
    „Auch gut.“

3
    Bruno Puntigam seufzte, als wäre er eine schwere Last los geworden. „So. Jetzt schließe ich die Augen, halte die Nase in den Wind, und was weht mir durchs Gemüt? Der Duft von Gewürznelken, Speck und Wurzelwerk, mit einem Hauch Rotwein und Zitrone. Frau Schlömmer hat für mich einen Hasen aus der Tiefkühltruhe geholt, will heißen, für uns.“
    „Die tut wohl alles für dich?“
    „Ich arbeite daran, Daniel. Eifersüchtig? Ich sage dir: Ohne Neid reicht’s für uns alle.“
    Daniel Käfer schwieg eine Weile. Dann schaute er auf seine Armbanduhr. „Gerade erst neun vorbei. Da bleibt noch viel Zeit bis Mittag. Ich muss mich doch nicht hier und jetzt entscheiden, Bruno?“
    „Was soll ich dir noch anbieten?“
    „Darum geht’s nicht. Es ist ein bisschen viel auf einmal, das alles.“
    „Verstehe, ich verwirre dich, überwältigend, wie ich nun einmal bin. Geh in dich und tu dort, was du nicht lassen kannst. Wir sehn uns dann beim Hasen. Waidmannsheil!“
    Käfer sah Puntigam leichten Schrittes Richtung Sarstein schlendern, und weil er nicht wusste, ob er einen Freudensprung tun sollte oder verwirrt in den Schnee sinken, stand er einfach da und schaute ins Nichts. Zu schön, um wahr zu sein, hatte Puntigam über diesen Wintertag gesagt, galt das auch für sein mehr als reizvolles Angebot? Käfer gab sich erst gar keine Mühe, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er nahm auch kaum wahr, dass er eine ziellose Wanderung begonnen hatte, den Hang nach Aussee hinunter, den Gegenhang hinauf, dann wieder talwärts, rund um den Ort und kreuz und quer durch Straßen und Gassen. Endlich trank er Kaffee in der Konditorei Strenberger, trank Kaffee, trank Kaffee in der Kurhauskonditorei Lewandofsky und beruhigte anschließend seinen fliegenden Puls mit einem großen Bier in der Traube.
    „Mit Verlaub, Daniel, du schaust irgendwie entrückt.“ Bruno Puntigam saß in Maria Schlömmers Küche, als hieße er Bruno Schlömmer.
    „Ich bin ziemlich durcheinander, offen gesagt.“
    „Diesen Zustand solltest du kultivieren, du wirst ihn in Zukunft gut brauchen
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