Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Häschen, nicht weinen. Johnno läßt nicht zu, dass dir etwas passiert.« Er schaukelte sie hin und her und überlegte, was seine Mutter wohl getan hätte. »Möchtest du einen Keks?«
    Sie schluckte, nickte dann, die Augen immer noch feucht.
    Er schaukelte sie weiter und stellte fest, dass sie unter all den Tränen und dem Schmutz ein einnehmendes kleines Ding war. Und eine McAvoy, gab er seufzend zu. Eine McAvoy durch und durch. »Können wir irgendwo welche stibitzen?«
    Endlich lächelte sie und wies auf einen hohen Schrank.
    Eine halbe Stunde später hatten sie die Platte mit Keksen fast geleert und süßen Tee getrunken, den er aufgebrüht hatte. Brian sah von der Küchentür aus zu, wie Johnno Grimassen schnitt und Emma zum Kichern brachte. Wenn alles, aber auch alles schiefging, dachte er, konnte man sich doch immer auf Johnno verlassen.
    Er ging in die Küche und fuhr seiner Tochter mit der Hand durchs Haar. »Emma, möchtest du eine Fahrt mit meinem Auto machen?«
    Sie leckte ein paar Krümel von den Lippen. »Mit Johnno?«
    »Ja, mit Johnno.«
    »Ich bin der absolute Renner.« Johnno stopfte sich den letzten Keks in den Mund.
    »Ich möchte, dass du bei mir bleibst, Emma, in meinem Haus.«
    »Bri...«
    Brian hob die Hand und schnitt Johnno das Wort ab. »Es ist ein schönes Haus, und du könntest ein eigenes Zimmer bekommen.«
    »Muss ich?«
    »Ich bin dein Papa, Emma, und ich möchte gern, dass du bei mir lebst. Du kannst es ja mal versuchen, und wenn es dir nicht gefällt, überlegen wir uns etwas anderes.«
    Emma musterte ihn aufmerksam und verzog den Mund zu einer Schnute. Sein Gesicht war ihr vertraut, aber es war irgendwie anders als auf den Fotos. Warum, das wusste sie nicht, und es interessierte sie auch nicht; allein seine Stimme gab ihr ein Gefühl der Sicherheit.
    »Kommt Mama auch mit?«
    »Nein.«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie hob ihren schäbigen schwarzen Hund und drückte ihn an sich. »Und Charlie?«
    »Aber sicher.« Brian nahm sie auf den Arm.
    »Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.«
    Über Emmas Kopf hinweg warf Brian Johnno einen Blick zu. »Das hoffe ich auch.«

2
    Vom Vordersitz des silbernen Jaguar aus sah Emma das große Haus zum ersten mal. Sie war ein bisschen traurig, dass Johnno mit seinem komischen Bart nicht mehr da war, aber der Mann von den Fotos hatte sie mit den Knöpfen am Armaturenbrett spielen lassen. Zwar lächelte er nicht mehr, aber er schimpfte auch nicht, und er roch so gut. Das Auto roch auch gut. Sie drückte Charlies Schnauze in den Sitz und plapperte leise vor sich hin.
    Das Haus aus wetterfestem grauen Stein, mit rautenförmigen Fenstern und geschwungenen Türmchen, erschien ihr riesig. Es war von dichtem grünem Rasen umgeben, und ein Duft nach Blumen lag in der Luft. Vor freudiger Erwartung grinste sie.
    »Ein Schloss!«
    Nun lächelte auch er. »Ja, das habe ich auch immer gedacht. Als ich klein war, wollte ich in so einem Haus leben. Mein Papa - dein Opa - hat hier im Garten gearbeitet.« Wenn er nicht gerade sturzbetrunken war, fügte Brian im Geist hinzu.
    »Ist er auch hier?«
    »Nein, er lebt in Irland.« In einem kleinen Cottage, erworben mit dem Vorschuss, den Pete ihm vor einem Jahr bewilligt hatte. »Irgendwann wirst du ihn und deine Onkel, Tanten und Cousins kennenlernen.« Er nahm sie auf, verblüfft über die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich an ihn schmiegte. »Du hast jetzt eine Familie, Emma.«
    Als er ins Haus ging, Emma noch immer auf dem Arm, hörte er Bevs helle, lebhafte Stimme.
    »Ich denke an Blau, reines Blau. Ich kann mit diesem Blumengarten an der Wand einfach nicht leben. Und diese schrecklichen Wandbehänge kommen weg, es sieht hier ja aus wie in einer Höhle. Ich möchte Weiß, Weiß und Blau.«
    Er wandte sich zur Wohnzimmertür und sah sie, umgeben von Dutzenden von Musterbüchern, am Boden sitzen. Ein Teil der Tapete war bereits abgerissen und die Wand teilweise neu verputzt. Bev nahm eine einzige Aufgabe gern von allen Seiten in Angriff.
    Wie sie da inmitten von Schutt saß, wirkte sie klein und zerbrechlich. Ihr dunkles, kurzgeschnittenes Haar lag wie eine Kappe am Kopf, und an ihren Ohren glitzerten große Goldreifen. Ihre seegrünen, goldgefleckten Augen unter schweren Lidern verliehen ihr ein beinahe exotisches Aussehen, zumal sie von dem Wochenende, das sie auf den Bahamas verbracht hatten, noch sonnengebräunt war. Er wusste genau, wie sich ihre Haut anfühlen, wie sie schmecken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher