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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen
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zum Mikrofon gehen. »Ich hab' Lampenfieber«, gestand sie Bev. »Lächerlich, nicht wahr? Ich brauche einfach nur dazustehen, die Namen zu verlesen und die Auszeichnungen zu überreichen.«
    »Möglichst an deinen Vater und Johnno. Komm, gehen wir in die Garderobe. Die dürfte jetzt leer sein, alle anderen sind beschäftigt.«
    »Willst du denn nicht in den Saal gehen?« Emma schaute auf ihre Uhr. »In zehn Minuten fangen sie an.«
    »Noch nicht. Hoppla, entschuldige, Annabelle.«
    Emma hätte sich ohrfeigen können, weil sie ihre Kamera zu Hause gelassen hatte. Die in einen knallrosa, mit Goldmünzen verzierten Seidenanzug gehüllte Annabelle, die gerade dabei war, eine Windel zu wechseln, bot wirklich ein Bild für Götter.
    »Keine Sorge. Er ist schon fast trocken.« Annabelle nahm den kleinen Samuel Ferguson auf den Arm und knuddelte ihn. »Ich wollte ihn nur noch schnell füttern und trockenlegen. Heute abend konnte ich ihn ja schlecht bei seinem Kindermädchen lassen, dann hätte er ja Papas großen Auftritt versäumt.«
    Emma sah dem Baby in die schläfrigen Augen. »Ich glaube nicht, dass er durchhält.«
    »Er muss nur ein kleines Schläfchen machen.« Annabelle bettete ihren Sohn auf das Sofa. »Würdet ihr wohl für ein paar Minuten auf ihn aufpassen? Ich muss P. M. suchen.«
    »Aber sicher«, murmelte Bev, beugte sich über das Baby und streichelte den kleinen Kopf.
    »Es dauert höchstens zehn Minuten.« Zögernd blieb Annabelle an der Tür stehen. »Bist du sicher? Wenn er aufwacht.. .«
    »Dann werden wir ihn schon beruhigen«, versprach Bev.
    Mit einem letzten besorgten Blick auf ihren Sohn schloss Annabelle leise die Tür hinter sich.
    »Wer hätte gedacht, dass die flippige Lady Annabelle mal eine so hingebungsvolle Mutter wird?« meinte Emma belustigt.
    »Ein Baby verändert dich.« Bev setzte sich auf die Sofalehne, um den schlafenden Samuel nicht zu wecken. »Ich wollte mit dir unter vier Augen sprechen.«
    Unwillkürlich tastete Emma nach der Beule an ihrer Schläfe. »Halb so schlimm. Kein Grund zur Sorge.«
    Bev nickte. »Dazu komme ich später. Erst habe ich dir etwas zu sagen, obwohl ich mir nicht sicher bin, wie du das aufnehmen wirst.« Sie holte tief Atem. »Brian und ich bekommen ein Kind.«
    Vor Verblüffung blieb Emma der Mund offenstehen. »Ein Baby?«
    »Ja, ich weiß. Wir waren selber überrascht, obwohl wir es uns gewünscht haben. Nach all den Jahren - eigentlich sind wir nicht ganz bei Trost. Ich bin fast zweiundvierzig.«
    »Ein Baby«, wiederholte Emma.
    »Kein Ersatz für Darren«, betonte Bev. »Nichts und niemand kann Darren je ersetzen. Und es ist auch nicht so, dass wir dich nicht lieben, wie man eine Tochter nur lieben kann, aber...«
    »Ein Baby!« Lachend schloss Emma ihre Stiefmutter in die Arme. »Ach, ich freue mich ja so für dich. Und für mich. Für uns alle. Wann ist es denn soweit?«
    »Ende des Sommers.« Bev hielt Emma ein Stückchen von sich entfernt und sah ihr ernst ins Gesicht. Doch was sie dort las, trieb ihr die Tränen in die Augen. »Wir haben befürchtet, du würdest dich aufregen.«
    »Aufregen? Ich?« Emma fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange. »Warum sollte ich mich aufregen?«
    »Es bringt Erinnerungen zurück. Brian und ich müssen uns mit unserer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir einmal ein anderes Kind wünschen würde, aber, Emma, ich freue mich wahnsinnig. Ich will dieses Kind haben, für mich, für Bri, aber - ich weiß, wie sehr du Darren geliebt hast.«
    »Wir alle haben ihn geliebt.« Genau wie vor über zwanzig Jahren legte Emma eine Hand auf Bevs Bauch. »Ich kann es kaum noch erwarten. Ich werde dieses Kind genauso lieben wie Darren, und diesmal wird alles gutgehen.«
    Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, da gingen plötzlich die Lichter aus, und schlagartig stieg die alte Angst in Emma hoch, so dass sie automatisch nach Bevs Hand tastete.
    »Alles in Ordnung«, beruhigte Bev. »Nur ein Kurzschluß. In einer Minute haben sie das repariert. Ich bin ja hier.«
    »Ich bin okay.« Diese unkontrollierte, lächerliche Angst vor dem Dunkel war eine weitere Schwäche, die es ein für allemal zu überwinden galt, befahl Emma sich. »Vielleicht ist es nur die Garderobenbeleuchtung. Ich gehe mal nachsehen.«
    »Ich komme mit.«
    »Nein.« Emma tastete sich zur Tür, deren Umrisse sie in der Finsternis kaum erkennen konnte. Ein raschelndes Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren. Das Baby
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