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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen
Autoren: authors_sort
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kommen und sie verprügeln, weil sie nicht zu Hause in ihrem eigenen Bett war.
    Was war das? Sie war sicher, ein flüsterndes Geräusch gehört zu haben. Vorsichtig durch die Zähne atmend, öffnete sie ein Auge. Die Schatten im Zimmer tanzten, wuchsen, griffen nach ihr. Emma versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken und sich ganz klein zu machen, so klein, dass sie von den ekligen bösen Dingen im Dunkeln nicht gesehen und gefressen werden konnte. Ihre Mama hatte sie geschickt, weil sie mit dem Mann von den Fotos mitgegangen war.
    Die Angst wurde so übermächtig, dass sie zu zittern und zu schwitzen begann, und entlud sich in einem entsetzten Aufschrei, als sie aus dem Bett kletterte und in die Diele stolperte. Irgend etwas zerbrach krachend.
    Sie lag lang ausgestreckt am Boden, klammerte sich an den Hund und erwartete das Schlimmste.
    Lichter gingen an und brachten sie zum Blinzeln. Die alte Angst machte einer neuen Platz, als sie Stimmen hörte. Emma wich zur Wand zurück und schaute wie erstarrt auf die Scherben der chinesischen Vase, die sie zerbrochen hatte.
    Man würde sie schlagen. Fortschicken. In einen dunklen Raum sperren, damit sie gefressen würde.
    »Emma?« Schlaftrunken und ein bisschen benommen von dem Joint, den er geraucht hatte, ehe Bev und er sich geliebt hatten, kam Brian auf sie zu. Sie rollte sich zusammen, wappnete sich für den Schlag. »Bist du in Ordnung?«
    »Sie haben es zerbrochen«, flüsterte sie in der Hoffnung, sich zu retten.
    »Sie?«
    »Die Ungeheuer im Dunkeln. Mama hat sie geschickt, um mich zu holen.«
    »Ach Emma.« Er rieb seine Wange an ihrem Haar.
    »Brian, was...« Bev stürzte aus dem Zimmer und zog dabei den Gürtel ihres Morgenmantels fest. Dann sah sie, was von ihrer Dresdener Vase übriggeblieben war, seufzte leise und vermied es, auf die Scherben zu treten, als sie sich ihnen näherte. »Ist sie verletzt?«
    »Ich glaube nicht. Sie hat nur furchtbare Angst.«
    »Laß mal sehen.« Bev nahm Emmas Hand. Diese war zur Faust geballt, der Arm gespannt wie ein Drahtseil. »Emma.« Ihre Stimme wurde strenger, doch es lag keine Bosheit darin. Vorsichtig hob Emma den Kopf. »Hast du dich verletzt?«
    Noch immer ängstlich deutete Emma auf ihr Knie. Auf dem weißen T-Shirt schimmerten ein paar Blutstropfen. Bev hob den Saum an. Der Kratzer war zwar lang, jedoch nicht tief. Trotzdem hätten die meisten Kinder deswegen wohl ein großes Geschrei angestimmt. Vielleicht tat Emma das nicht, weil der Kratzer, verglichen mit den blauen Flecken, die Brian auf ihrem Körper gefunden hatte, als er sie badete, nur eine Kleinigkeit war. In einer eher instinktiven als mütterlichen Geste beugte sich Bev hinunter, um einen Kuss auf die Wunde zu drücken. Als Emmas Mund sich daraufhin vor Überraschung öffnete, floss ihr Herz über.
    »Gut, Süße, wir kümmern uns darum.« Sie nahm Emma auf und kitzelte sie am Hals.
    »Da sind Ungeheuer im Dunkeln«, wisperte Emma.
    »Dein Papi jagt sie weg, nicht, Bri?«
    Sein irisches Erbe oder aber auch die Drogen machten ihn sentimental, als er sah, dass die Frau, die er liebte, sein Kind im Arm hielt. »Na klar, ich hack' sie in Stücke und schmeiß' sie dann raus.«
    »Wenn du damit fertig bist, fegst du besser das hier auf.«
    Emma verbrachte diese Nacht, die erste ihres neuen Lebens, in einem großen Messingbett, eng an ihren Papa und ihre neue Mama geschmiegt.

3
    Wie jeden Tag, seit sie in dem neuen Haus lebte, saß Emma am Wohnzimmerfenster und schaute über den Garten, in dem Fingerhut und Akelei in voller Blüte standen, auf die lange kiesbestreute Auffahrt. Und wartete.
    Sie hatte kaum zur Kenntnis genommen, dass ihre blauen Flecken langsam verblassten. Niemand in dem großen neuen Haus hatte sie bislang geschlagen. Noch nicht. Jeden Tag hatte sie Tee bekommen, und die Freunde, die im Hause ihres Vaters ständig ein und aus gingen, hatten ihr Süßigkeiten und Spielsachen mitgebracht.
    Emma fand das alles sehr verwirrend. Sie wurde jeden Tag gebadet, sogar wenn sie sich gar nicht schmutzig gemacht hatte, und bekam immer saubere Kleidung. Niemand hier nannte sie ein dummes Baby, weil sie sich in der Dunkelheit fürchtete. Die Lampe mit dem rosa Schirm brannte die ganze Nacht, so dass die Ungeheuer so gut wie nie in ihr neues Zimmer kamen.
    Und dennoch wehrte sie sich dagegen, sich hier wohl zu fühlen. Sicher würde Mama bald kommen und sie wieder mitnehmen.
    In dem schönen Auto war Bev mit ihr zum Einkaufen gefahren, in einen großen Laden
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