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Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen
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die Zukunft zählen, ein ganzes Leben lang.
    »Wie wär's, Emma? Möchtest du runtergehen und auf Papas Hochzeit tanzen?«
    Sie hatte die Schultern hochgezogen und kaum merklich den Kopf geschüttelt. Der Rauch, der wie geheimnisvoller Nebel durch die Luft waberte, ließ ihre Schläfen pochen.
    »Möchtest du etwas Kuchen?« Er hatte sich gereckt, um sie spaßhaft am Haar zu zupfen, doch sie war zurückgewichen. »Was ist denn?« Verständnislos hatte er ihr auf die Schulter geklopft.
    Emmas ohnehin schon übervoller Magen hatte die Kombination von Furcht und zu viel Süßigkeiten nicht verkraftet. Ein heftiges Aufstoßen, und der gesamte Mageninhalt war über Brians Schoß geflossen. Sie gab ein jämmerliches Stöhnen von sich, ehe sie, fest an Charlie geklammert, liegenblieb; zu elend, um sich vor den zu erwartenden Schlägen zu schützen. Zu ihrer Überraschung hatte er angefangen zu lachen.
    »Ich schätze, jetzt geht es dir sehr viel besser.« Zu high, um sich abgestoßen zu fühlen, hatte Brian sich hochgerafft und ihr die Hand hingehalten. »Und jetzt wird sich erst mal gewaschen.«
    Emma verstand die Welt nicht mehr. Es hatte weder Schläge noch Ohrfeigen gegeben, statt dessen hatte er sie im Bad beide bis auf die Haut ausgezogen und Emma dann unter die Dusche geschoben. Beim Duschen hatte er sogar noch gesungen, irgendwas von betrunkenen Seeleuten, und so hatte sie ihre Übelkeit vergessen.
    Reichlich unsicher auf den Beinen, hatte Brian die in Handtücher gehüllte Emma zurück in ihr Zimmer und ins Bett gebracht. Mit klatschnassen Haaren war er auf das Fußende des Bettes gefallen und hatte sofort zu schnarchen begonnen.
    Emma war vorsichtig unter der Bettdecke hervorgekrabbelt, um sich neben ihn zu setzen, und hatte all ihren Mut zusammengenommen, sich über ihn gebeugt und einen feuchten Kuss auf seine Wange gedrückt. Zum ersten mal in ihrem Leben verspürte sie Liebe zu einem anderen Menschen; deshalb hatte sie Charlie unter seinen Arm geschoben und sich auf ihre Schlafseite gedreht.
    Doch dann war er fortgegangen. Nur ein paar Tage nach der Hochzeit war ein großes Auto vorgefahren, und zwei Männer hatten Koffer aus dem Haus geschleppt. Papa hatte ihr einen Kuss gegeben und ihr ein schönes Geschenk versprochen. Emma konnte nur wortlos zusehen, wie er fortfuhr und aus ihrem Leben verschwand. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass er zurückkommen würde, selbst dann nicht, als sie seine Stimme am Telefon hörte. Bev sagte, er sei in Amerika, wo die Mädchen bei seinem bloßen Anblick hysterisch zu kreischen begannen und die Fans seine Platten fast so schnell kauften, wie diese produziert wurden.
    Aber seit er fort war, war das Haus still und leer, und manchmal weinte Bev.
    Emma erinnerte sich an Janes Weinen, an die Schläge und Quälereien, die diese Tränen zu begleiten pflegten, und wartete, doch Bev schlug sie nie, nicht einmal in der Nacht, in der die Arbeiter gingen und sie ganz alleine in dem großen Haus waren.
    Tag für Tag kuschelte sich Emma, Charlie im Arm, in den Sessel am Fenster und sah hinaus, träumte, dass das lange schwarze Auto die Auffahrt heraufkäme, die Tür sich öffnete und ihr Papa ausstiege.
    Doch mit jedem Tag verstärkte sich ihre Gewissheit, dass er nie wieder zurückkommen würde. Er war gegangen, weil er sie nicht mochte, sie nicht wollte. Weil sie ein Störenfried war, und strohdumm dazu. Sie wartete nur noch darauf, dass auch Bev fortgehen und sie in dem großen Haus allein lassen würde. Dann würde Mama kommen.
    Was ging nur in dem Kopf des Mädchens vor? wunderte sich Bev. Wie üblich saß Emma in dem Sessel am Fenster. Stundenlang konnte das Kind so sitzen, geduldig wie eine alte Frau. Selten beschäftigte sie sich mit etwas anderem als dem schäbigen alten Stoffhund, den sie mitgebracht hatte. Noch seltener bat sie um etwas.
    Fast einen Monat lang war sie nun schon ein Teil ihres Lebens, aber Bevs Gefühle ihr gegenüber hatten sich noch nicht sehr geändert. Ihre Liebe zu Brian war jedoch so groß, dass es sie manchmal selbst erschreckte. Und Emma war sein Kind. Was immer sie auch angestrebt haben mochte, wie immer auch ihre Zukunftspläne ausgesehen hatten, es bedeutete wohl, dass sie jetzt auch ihr, Bevs, Kind war.
    Es fiel schwer, Emma anzusehen und nicht angerührt zu sein. Mit Sicherheit lag das an ihrem Aussehen, da sie den gleichen engelhaften Eindruck machte wie Brian, aber mehr noch an der Aura von Unschuld, die das Kind umgab, eine Unschuld, die um so
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