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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
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Dillon hinter einem weißen Wandschirm voll schwarzer Hoffnungslosigkeit. Bellamy hatte ihm ruhig, und ohne etwas zu beschönigen, das Urteil mitgeteilt. Klug, wie er war, hatte der Arzt sich dann zurückgezogen, damit Dillon allein damit fertig wurde. Zuerst wollte er es einfach nicht wahrhaben. Er wurde mit jedem Tag kräftiger und gesünder. Ein Mann stand mit einem Fuß im Grab, wenn er nicht auf einem Pferd sitzen, sich mit seinen Herden abplagen und einen Jährling wenigstens fünf Sekunden lang unterm Brandeisen halten konnte.
    Bei kühlem Nachdenken mußte er sich aber eingestehen, daß Bellamy keine Veranlassung hatte zu lügen. Keiner wußte besser als er, welche Last ein Mann zu tragen hatte, dem die Gläubiger auf den Fersen waren. Wenn Bellamy es sagte, dann stimmte es auch. Und wenn es stimmte, dann war er lebenslänglich ein Krüppel, und für Lahme und Kranke war das ein grausames Land.
    Die ganze Ironie des Schicksals wurde ihm bewußt. Er hatte so viel überstanden: Hunger, Durst, die Speere der schwarzen Jäger, die Todesangst in einem dunklen Verlies. Und das war nun von ihm geblieben – ein früh gealteter Mann, der sich wegen seines Herzens im Schatten schonen mußte, während die Herden unter Peitschengeknall herumschwenkten und donnernd durch die Niaulibäume nach Hause rasten. Das war mehr, als ein Mensch ertragen konnte. Er fluchte leise vor sich hin. Tränen drangen aus seinen geschlossenen Lidern und liefen die runzlige Haut seiner Wangen hinunter.
    Dann kam Mary herein, ein ungewohnter Anblick für ihn, so in Reithosen und einem gestärkten Hemd, das Haar vom Wind zerzaust und das Gesicht von der Nachmittagssonne leicht gebräunt. Sie küßte ihn flüchtig auf die Stirn, wischte ihm die Tränen von den Wangen und setzte sich an sein Bett. Sie fragte weich: »Bellamy hat's dir also gesagt?«
    »Ja.« Er griff nach ihren Händen, und die Verzweiflung brach aus ihm heraus. »Das kann ich nicht ertragen, Mary. Das ist zuviel. Ich kann's nicht … Ich kann's nicht …!«
    »Hör zu, Lance!« Ihr strenger Ton ließ ihn auf der Stelle verstummen. Verwirrt und eingeschüchtert starrte er sie an. »Du wirst es ertragen: es ist nicht halb so schlimm, wie es aussieht. Wenn du hier herauskommst, gehen wir nach Minardoo zurück. Zusammen werden wir es schon schaffen.«
    »Zusammen?« Das Wort schien ihm nicht sonderlich vertraut zu sein.
    »Du – du verstehst doch nichts vom Viehgeschäft, und außerdem sind wir bankrott … völlig am Ende.«
    Zum erstenmal lächelte sie ihn mit einem sonderbaren geheimnisvollen Lächeln an.
    »Nein, Lance. Unser Betrieb läuft weiter. Ich habe unseren Kredit um drei Jahre verlängern lassen und uns neues Kapital besorgt, damit wir noch einmal von vorn anfangen können. Weißt du, wo ich heute nachmittag war? Auf einer Auktion, unten bei den Viehhöfen.«
    »O Gott, Mary!« Vor Schreck schien er einen Moment lang wieder ganz der alte zu sein. »Du hast doch nichts gekauft?«
    »Nein.« Sie streichelte mütterlich beruhigend seine Hand. »Aber ich habe eine Menge gelernt. Und mit der Zeit werde ich mehr und schneller lernen … Das heißt, wenn du mich läßt.«
    Er starrte sie ungläubig an.
    »Du … du hast dich verändert, Mary. Ich weiß nicht wieso; aber du hast dich verändert.«
    Ihr Blick wurde ernst. Die Lebhaftigkeit schwand aus ihrer Stimme. Sie nickte langsam.
    »Ja, Lance. Ich habe mich verändert und ich will dir auch sagen, wieso und warum. Bitte hör mir zu. Danach sage mir, was du tun willst.«
    »Ich versteh' dich nicht.« Er runzelte die Stirn, und sein verstörter Blick ruhte fragend auf ihrem Gesicht.
    »Ich will versuchen, es dir begreiflich zu machen: Bevor dies alles passiert ist, wollte ich dich verlassen.«
    »Mich verlassen?« Seine Stimme klang hoch und erschrocken. »Du meinst, für immer?«
    »Ja.«
    Er schloß die Augen, um darüber nachzudenken. Als er sie wieder öffnete, sah Mary, daß er verstanden hatte. Er sagte ernst: »Ich mach' dir keinen Vorwurf. Ich weiß, daß ich dir kein besonderes Leben geboten habe.«
    »Es ging mir nicht um das Leben, Lance. Ich wollte dich.«
    »Das weiß ich jetzt auch. Es – es war damals in der Höhle. Ich wartete auf den Tod. Alles schien plötzlich sinnlos. Außer dir. Hab' ich dich sehr unglücklich gemacht?«
    »Ja.« Sie ersparte ihm nichts. »Du hast mich so weit gebracht, daß ich jemand anderen wollte.«
    »Hast du ihn gefunden?«
    »Ja.«
    »Hast du …«
    »Ja.«
    »Oh!«
    Er
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