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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
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weiteren Schwierigkeiten mit den Eingeborenenstämmen vorzubeugen.
    Das würde sich in Darwin gut anhören. Als Auszug für die Akten des Ministers in Canberra würde es sogar noch besser klingen. Und am besten würde der an den Rand gekritzelte Vermerk zu lesen sein. ›Lobenswerte Unternehmung. Ein fähiger und weitsichtiger Officer mit profunden Kenntnissen des Gebietes und der eingeborenen Bevölkerung.‹ So etwas war ausschlaggebend für einen ehrgeizigen Polizisten. Das wurde gelesen und notiert, und man erinnerte sich daran, wenn es um Empfehlungen und Beförderungen ging.
    Aber genauso wichtig war das Wissen um das Weglassen. Schon so mancher verdiente Staatsdiener war unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen, weil er eine zu geschwätzige Feder hatte. Mancher aufstrebende Mann hatte seine eigene Grabinschrift verfaßt, als er von Tatsachen in Spekulationen abgeglitten war. Neil Adams hatte im Fall von Lance Dillon und dessen Ehefrau eine Menge abzuwägen, und er war klug genug, nicht alles dem Papier anzuvertrauen.
    Er schrieb weiter, langsam und nachdenklich, bis ein Schatten über seinen Schreibtisch fiel. Er sah auf. Mary Dillon stand ihm gegenüber, blaß und gelassen, mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, doch niemand war zu sehen außer Billy-Jo, der auf dem Verandapfosten saß und an einem Stock schnitzte. Adams stand auf und nahm Mary in die Arme. Ihre Lippen berührten sich, dann löste sie sich sanft, aber bestimmt von ihm.
    »Setz dich, Neil.« Ihre Stimme klang fest, wenn auch dünn. »Ich möchte mit dir reden.«
    Er zögerte, doch sie legte ihre Hände auf seine Schultern und schob ihn auf seinen Stuhl zurück. Dann setzte sie sich ihm gegenüber, die Hände im Schoß gefaltet, die Augen fest auf sein Gesicht gerichtet. Er sagte sanft: »Schön, daß du da bist, Mary. Es tut mir leid, daß wir uns nicht schon früher sehen konnten; aber das wäre nicht klug gewesen. Die Stadt ist klein, und die Leute reden viel.«
    »Ich verstehe.« Ihr gleichmäßiger Ton ließ keinen Groll erkennen. »Aber früher oder später müssen wir doch miteinander reden, nicht wahr?«
    »Natürlich. Wie geht's deinem Mann?«
    »Doktor Bellamy meint, das Schlimmste sei überstanden.«
    »Das freut mich.«
    »Wirklich, Neil?«
    Er hatte nicht damit gerechnet, daß sie ihn so schnell in die Enge treiben würde. Er errötete und stammelte: »Also … du weißt schon, wie ich das meine. Was du – was du da sagst …«
    »Wie hast du's denn gemeint?«
    »Es freut mich für ihn – ich finde es schade um uns.«
    »Warum schade, Neil? Wenn wir uns wirklich liebten, könnten wir schon zurechtkommen – so oder so.«
    »Das ist gar nicht so einfach. Siehst du nicht …?«
    In seinem Gesicht spiegelte sich Verwirrung wider. Seine Augen ließen die ihren los. Seine Verlegenheit ging ihr zu Herzen, doch sie setzte ihm noch weiter zu.
    »Neil, beantworte mir eine Frage. Liebst du mich?«
    »Das weißt du doch, Mary. Aber …«
    Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Das eine Wort stand zwischen ihnen wie ein festgefrorener Ton, ein Akkord in Moll, verloren und traurig. Sie wußte, es hatte keinen Sinn mehr, ihn oder sich selbst länger zu quälen. Es war alles gesagt. Das Weitere war überflüssig und entbehrlich.
    Sie stand auf, nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und küßte ihn auf den Mund. Tränen standen in ihren Augen, doch ihre Stimme blieb fest.
    »Ich liebe dich, Neil. Nicht mehr so wie vorher. Nicht so sehr, wie ich könnte. Aber wo immer ich bin und was immer geschieht – ein Stück meines Herzens wird immer dir gehören. Auf Wiedersehen!«
    Sie drehte sich um, und er blieb wie versteinert sitzen und sah ihr nach. Die Hand auf der Türklinke, wandte sie sich ihm noch einmal zu: »Fast hätte ich es vergessen: Ich hatte mich schon entschlossen, bevor ich herkam – ich bleibe bei Lance. Von jetzt an leite ich Minardoo.«
    Ohne zu überlegen, war er schon halb aus seinem Stuhl aufgesprungen, und die Worte sprudelten aus ihm heraus: »Willst du – willst du ihm das von uns erzählen?«
    Sie starrte ihn lange an, tief getroffen, ruhig und verächtlich, dann öffnete sie die Tür und ging ins Sonnenlicht hinaus. Neil Adams ließ sich schwer wieder an seinem Schreibtisch nieder, vergrub sein Gesicht in den Händen, und zum erstenmal in seinem Leben gab es einen echten Grund für ihn, sich vor sich selbst zu schämen.
    Drei Tage später war Lance
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