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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
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nahm seinen Hut ab, füllte ihn halbvoll mit Wasser und hielt ihn dem Tier so lange vors Maul, bis es auch den letzten Tropfen getrunken hatte. Danach setzte er sich selbst den Sack an die Lippen, warf den Kopf zurück und trank einen langen, wohltuenden Schluck …
    In diesem Augenblick erblickte er den Rauch, eine dünne Säule, die über dem Hügelkamm aufstieg. Er fluchte leise, stöpselte den Wassersack wieder zu, schwang sich in den Sattel und ritt in scharfem Galopp davon.
    Der Rauch konnte nur eines bedeuten: die Myalls waren im Tal, und er wollte sie so schnell wie möglich von dort vertreiben.
    Es war an sich nichts Außergewöhnliches oder Besorgniserregendes dabei, wenn sich Eingeborene im weißen Siedlungsgebiet aufhielten. Das ganze Land hatte einstmals ihnen gehört, und die Myalls, ein Nomadenstamm, der sich ungern in der Nähe weißer Siedlungen aufhielt, waren jahrhundertelang hier herumgezogen. Sie waren das primitivste Volk der Erde, hatten niemals ein Haus gebaut oder ein Rad angefertigt und wußten nichts über den Gebrauch von Kleidung. Ihre Waffen waren Speere und Keulen, Bumerangs und Werkzeuge aus Stein. Sie schliefen auf dem Boden, nackt wie sie Gott geschaffen hatte. Sie ernährten sich von Känguruhs und Büffeln, Reptilien und Raupen, Jam- und Lilienwurzeln sowie dem Honig wilder Bienen. Frei wie Tiere zogen sie durch ihre heimatlichen Gefilde, und die einzige Spur, die sie zurückließen, war die Asche ihrer Lagerfeuer, ein Stapel Zweige oder ein Toter, in Rinde eingehüllt und auf dem Ast eines Baumes abgelegt. Manchmal, wenn das Wild rar war, mochten sie wohl auch einen Stier oder einen Schlachtbullen aus den Herden der Weißen töten; aber das galt sozusagen als Mundraub, und es gab deswegen keine feindseligen Auseinandersetzungen.
    Lance Dillon hatte Verständnis für die primitiven Rechte der Myalls und respektierte sie; doch dieses Tal war sein Reich, und er wollte, daß es ihm ganz allein gehörte. Er hatte das den Stammesältesten klargemacht, und bis jetzt hatten sie sich daran gehalten. Der über den Hügeln aufsteigende Rauch war eine Herausforderung, die ihm zu denken gab. Mehr noch, er bedeutete Gefahr. Ein Lagerfeuer konnte sich zu einem Grasbrand ausweiten und seine Weide in einer Nacht vernichten. Die Myalls kannten keinen Unterschied zwischen einem Zuchtbullen und einem wilden Büffel, seine Herde war jedoch zum Züchten da – und kein Fleisch für die Schwarzen.
    Diese Gedanken gingen ihm durch den Sinn, als er das Pferd zu rasendem Galopp antrieb, so daß er in kürzester Zeit den Fuß der Sandsteinböschung erreichte, von welcher eine enge Schlucht in das Tal führte.
    Dillons Stirn umwölkte sich, als er die heruntergerissene Holzschranke und den zur Seite gedrückten Dornbuschzaun erblickte. Nachdenklich ließ er das Pferd im Schritt durch das Unterholz gehen, dann durch die Mulde, von wo aus sich die Schlucht zu einem kleinen, grasbewachsenen Hügel zwanzig Fuß über dem Grund des Tales öffnete. Hier angekommen, hielt er an und überschaute mit vor Schrecken und Wut weitgeöffnetem Mund das Geschehen.
    Acht oder zehn Myalls waren zu einem Jagdfest versammelt, kräftige nackte Burschen, mit Speeren, Keulen und Bumerangs bewaffnet. Drei von ihnen hatten die Kühe und Kälber vom Bullen getrennt und in einen entlegenen Winkel des Tales getrieben. Die übrigen standen im Kreis um den Bullen. Dieser, wohlgenährt und satt, betrachtete sie mit feindseligem Blick. Doch ehe Dillon noch einen Ton herausbringen konnte, steckten drei Speere in dem mächtigen Tier, und zwei Männer schlugen mit Keulen auf den Stier ein, um ihn zu töten.
    Einen Augenblick lang saß Dillon wie erstarrt im Sattel, gelähmt vom Anblick dieser sinnlosen Schlachterei. Dann heulte er vor Wut auf, gab dem Pony die Sporen und jagte den Hang hinunter auf die Myalls zu. Noch während des Galoppierens riß er die Peitsche aus dem Sattel, ließ die lange Schnur durch die Luft sausen, um die Männer zu vertreiben. Wie er auf sie zukam, stoben sie auseinander, und sein Schwung ließ ihn mitten durch sie hindurch und an ihnen vorbeipreschen, während der sterbende Bulle brüllte und auf seine Vorderbeine zu kommen versuchte. Dillon schwenkte scharf herum und stürmte wieder los, hieb mit seiner Peitsche auf die Eingeborenen ein, doch er kam nur zwanzig Schritte weit, dann traf ihn ein Speer so, in die rechte Schulter, daß er die Peitsche fallen ließ und fast vom Sattel stürzte. Ein zweiter Speer
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