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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
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plötzlich, von einer Schlange oder einem Insektenstich erschreckt, aufgebäumt und ihn abgeworfen hatte. Der Sturz, in hohem Bogen, fiel ihm ein und dann der schmerzliche Aufprall. Danach war nichts mehr. Er öffnete wieder die Augen, erkannte das flachgedrückte Gras, wo er hingefallen war, und die geknickten Halme, die das Tier niedergetreten hatte.
    Vorsichtig streckte er erst das eine Bein aus, dann das andere. Kein Schmerz – die Knochen waren also noch heil. Seine linke Hand lag ausgespreizt im staubigen Gras. Er sah zu ihr hin, sie kam ihm merkwürdig weit weg vor. Vorsichtig probierte er, ob er sie bewegen konnte. Er beobachtete, wie sich die Finger krümmten, das Handgelenk abknickte, der Ellbogen sich abbog und wie sich dann der ganze Arm langsam bewegte und sich auf seinen Bauch legte.
    Von diesem kleinen Erfolg ermutigt, ließ er die Hand weitertasten, zum Zwerchfell hinauf, über den Brustkorb hin bis zur rechten Schulter. Die Finger trafen auf einen klebrigen Blutklumpen, auf einen winzigen krabbelnden Haufen Ameisen und dann auf das gezackte Ende der Speerspitze. Er wußte jetzt, daß durch den Sturz der Schaft des Speers abgebrochen und die Spitze durch seine Schulter hindurch nach außen gedrungen war.
    Schon von dem leichten Druck seiner Finger durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, und die aufgestörten Ameisen spritzten ihr Gift in seine Haut. Er schloß die Augen und lag schwitzend auf dem Rücken, bis der Schmerz nachließ. Dann tastete er blindlings zwischen den Gräsern herum, bis er das abgebrochene Ende des Speeres fand, und zog es zu sich heran.
    Mühsam, Zentimeter für Zentimeter, rollte er sich auf den Bauch, quälte sich auf die Knie und versuchte, mit dem Speerschaft als Stütze, sich auf die Füße hochzuziehen. Zweimal fiel er mit dem Gesicht wieder in das Gras. Mit Keuchen und Stöhnen schaffte er es beim dritten Mal. Er stand, benommen zwar, doch triumphierend, gestützt auf den Schaft. Langsam hob er den Kopf und begann vorsichtig, wie ein alter klappriger Mann an seinen Stock geklammert, durch das hohe Gras auf den Fluß zuzuhumpeln.
    Die Entfernung zum Fluß betrug höchstens eine halbe Meile, aber er brauchte, bis er ihn erreichte, länger als zwei Stunden. Ein Dutzend Schritte, und schon mußte er sich wieder ausruhen. Sein Kopf schwirrte, das Herz klopfte, und sein Körper war schweißgebadet. Langsam sickerte das Blut aus der Wunde, wo die Speerspitze noch in seiner Schulter steckte. Jeder Schritt mußte genau bemessen werden, jeder Fuß mußte fest und sicher stehen, bevor er den anderen bewegen konnte. Wenn er noch einmal fiele, könnte er vielleicht nie wieder aufstehen. Der Flüssigkeitsverlust – Blut und Schweiß – hatte ihn ausgetrocknet, und der Durst begann ihn allmählich zu quälen. Noch immer klebten die Ameisen auf seiner Haut, und aus der Niederung stiegen die Insekten in Schwärmen auf und umschwirrten sein Gesicht. Er aber wagte es nicht, den Stock loszulassen, um sie zu verscheuchen.
    Als er endlich den Fluß erreicht hatte, lag dieser zwanzig Fuß tief unter ihm, verborgen unter einem Gewirr von Büschen und den knolligen Wurzeln der Pandangpalmen. Erst als er fünfzig Fuß stromaufwärts gehinkt war, fand er eine kleine sandige Böschung, die direkt zum Ufer abfiel. Unter unendlichen Schmerzen setzte er sich so hin, daß seine Beine über die Böschung hingen, und stieß sich dann mit dem Stock so ab, daß er auf dem Hosenboden zum Wasser hinunterrutschte. Gierig stürzte er sich auf das Wasser, schöpfte es mit der hohlen Hand und schlürfte wie ein Hund. Sobald er fühlte, wie seine Kraft langsam zurückkehrte, zog er unter Mühen sein Hemd aus, wusch es im Fluß aus und riß es dann mit den Zähnen und der linken Hand in lauter Streifen, die er sorgfältig neben sich auf eine Felsenplatte legte. Als er damit fertig war, nahm er wieder einen Schluck Wasser, um sich damit für das brutale Unternehmen zu stärken, die Speerspitze zu entfernen.
    Jetzt oder nie mußte es geschehen, doch sein Körper war geschwächt, und sein Wille wehrte sich gegen einen neuen Schmerz. Doch schließlich raffte er sich auf. Er nahm all seinen Mut zusammen, umschloß das rauhe Holz mit beiden Händen und zog es mit einem kräftigen Ruck nach vorn heraus. Zu seiner Überraschung ging es ganz leicht, nur begleitet von einem leichten Blutschwall. Doch der sofort folgende Schmerz ließ ihn laut aufschreien. Sein erster Impuls war, die Speerspitze weit von sich ins Wasser zu
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