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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
Autoren: Stefan Lukschy
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Statt eines Vorwortes

    Unsere erste Begegnung war gewissermaßen virtuell. Man schrieb das Jahr 1960. Ich war zarte elf Jahre alt und bereits ein glühender Fan des bedeutendsten humoristischen Zeichners Deutschlands, als mein Vater den erheblich jüngeren Vicco von Bülow in dessen Haus in Gauting bei München besuchte. Möglicherweise hatten die beiden sich über Bernhard Wicki kennengelernt, denn wenig später traten sie gemeinsam in der internationalen Hollywood-Produktion »The Longest Day« (»Der längste Tag«) auf, bei der Wicki Regie für die deutschen Teile führte. Nicht, dass sie eine gemeinsame Szene gehabt hätten – mein Vater, der Schauspieler Wolfgang Lukschy, spielte in dem Weltkriegsdrama General Jodl und musste sich am Telefon weigern, Hitler angesichts der Invasion der Alliierten in der Normandie aus dem Bett zu holen (was ihm in der englischen Version, die parallel gedreht wurde, sichtlich schwer fiel), während sich Vicco von Bülow in seiner Rolle als anonymer deutscher Leutnant die Zunge mit dem Satz »We haven’t been able to get it through, Sir« zerbrach. An den Tücken des»th« hat er sich später mit der »Englischen Ansage« (»North Cothelstone Hall …«) angemessen gerächt.
    Unter Umständen sind die beiden sich sogar schon 1940 über den Weg gelaufen. Mein Vater spielte eine kleine Rolle in dem Ufa-Film »Schiller – Der Triumph eines Genies«, Loriot gab als Komparse einen Lakaien am Hof des Herzogs Karl Eugen von Württemberg.
    Bei seinem Besuch in Gauting, im Jahr 1960, wurde mein Vater, wie viele Gäste im Hause Bülow, von Loriot mit dessen 4x4cm-Rolleiflex-Kamera, Baujahr 1952, in Schwarz-Weiß neben einer kleinen Holzsäule fotografiert.
    Zurück in Berlin, überreichte er mir das kleine, blassrosafarbene »Diogenes Tabu« (Tabu = Taschenbuch), »Der Weg zum Erfolg«, von meinem Idol mit schwarzer Tusche signiert. Ich hüte es bis heute, und als ich es im Mai 2010, bei einem seiner letzten Besuche in Berlin, meinem Freund Vicco zeigte, waren wir beide sehr gerührt. Warum er dem Elfjährigen im Zusammenhang mit »fiel Ervolg« eine eher matronige Mutti zeichnete, war allerdings nicht mehr zu klären und wird infolgedessen auf ewig ein Rätsel bleiben.
    Loriots Bücher aus der Reihe »Diogenes Tabus«, kleinformatige, glänzende Bändchen mit den Werken der besten Cartoonisten ihrer Zeit, gehörten schon länger zu meinen Favoriten. An »Auf den Hund gekommen«, »Der gute Ton« und »Der Weg zum Erfolg« hat sich wesentlich mein Sinn für das Komische gebildet.
    Meine Bewunderung für Loriot setzte sich fort, als ich 1968 als junger Student in einer WG in Berlin-Lichterfelde wohnte. Die Stuttgarter »Cartoon«-Sendungen zu sehen gehörte zum festen Ritual unserer Wohngemeinschaft. Ich glaube nicht, dass wir auch nur eine Sendung verpasst haben. Loriot war für uns in Sachen Humor das Maß aller Dinge. Und er machte die schwierige Zeit der politischen Auseinandersetzungen und der Studentenunruhen, in der vieles so übertrieben ernst genommen wurde, auf wunderbare Weise leicht.
    Vermutlich war er der einzige Humorist, über den sowohl das »Establishment« als auch die rebellischen Studenten – und als ein solcher verstand ich mich – lachen konnten. Loriot stand über den Dingen, er war kritisch bis zur Anarchie, ließ sich aber nie vor irgendeinen politischen Karren spannen.
    Woran lag das? In seinem luziden Essay »Wir sind Loriot« beschreibt der Historiker Christoph Stölzl das Phänomen Loriot so: »Niemand hat die Zeitungen, die Benimmbücher, die Grußworte, die Parlamentsreden und die Tarifverträge der Bundesrepublik mit kälterem Ethnologenblick durchforstet als Loriot. […] Wenn man einmal die Geschichte unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg schreiben wird, kann man getrost auf die Tonnen bedruckten Papiers der Sozialforscher verzichten und sich Loriots gesammelten Werken zuwenden: Das sind wir, in Glanz und Elend.« Er war ein wahrhaftiger Freigeist, der die Aufbaujahre der kleinbürgerlichen Republik mit größtmöglicher Ironie begleitete und auch in der DDR viele Fans hatte.
    Die Reihe »Cartoon« war 1966 entstanden, als die Dokumentarabteilung (!) des Süddeutschen Rundfunks jemanden suchte, der durch eine Sendung mit internationalen Zeichentrickfilmen führen konnte. Man verfiel auf den erfolgreichsten Cartoonisten des Landes, Vicco von Bülow, der auf einem roten Sofa Platz nahm und es binnen kurzer Zeit verstand, seine Moderationen zum
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