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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
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ihn an.
    »Das soll Ihnen eine Lehre sein; machen Sie mal schön langsam. Sie sind rundherum böse verbrannt. Sie sind randvoll mit Ameisensäure, und in der Schulter da steckt noch genügend Gift, um einen Ochsen zu töten. Sie werden noch eine Weile bei uns bleiben müssen.«
    Dillon ignorierte die Schmerzen und fragte heiser: »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Heute ist der dritte Tag.«
    »Wie bin ich hierhergekommen?«
    »Neil Adams hat Sie gefunden. Ihre Frau hat Sie hergebracht.«
    »Mary …« Gerade war er erst aus der Bewußtlosigkeit aufgetaucht, als schon wieder finstere Wolken in ihm aufzogen. »Mary … wo ist sie?«
    »Sie ruht sich aus. Seit Sie hier sind, war sie Tag und Nacht bei Ihnen. Sie müssen jetzt ebenfalls ruhen. Danach können Sie mit ihr sprechen.«
    Er fühlte den Einstich einer Injektionsnadel in seinem Arm, dann umschlang ihn abermals die Dunkelheit.
    Doktor Robert Bellamy wischte sich mit einem Khakitaschentuch den Schweiß von der gerunzelten Stirn. Er hatte eine anstrengende Woche hinter sich; zwei komplizierte Entbindungen, Masern im Eingeborenenreservat, eine Lungenverletzung durch einen Stich in die Rippen bei einer Wirtshausrauferei, außerdem ein Zusammenstoß auf der Autostraße nach Darwin, mit einem gebrochenen Arm sowie einem Milzriß, was einen sofortigen chirurgischen Eingriff erfordert hatte. Und während der vergangenen drei Tage hatte Dillon einen harten Kampf mit dem Tode geführt, während man Penicillin in ihn hineingepumpt und Gilligan nach Darwin gejagt hatte, um frische Vorräte zu holen.
    Jetzt schien Dillon den Kampf gewonnen zu haben. Doch es war bestenfalls ein Teilsieg. Jedes neue Abhorchen bestätigte es. Das Herz ist das widerstandsfähigste Organ des Menschen, aber Lance Dillons Herz hatte zu viel ertragen müssen. Er würde genesen. Er würde ein normales, maßvolles Leben führen können. Doch die Tage der harten Arbeit waren vorüber. Er war zu seiner letzten Ausmusterung geritten, hatte seinen letzten Jungstier überwältigt, und Black Bellamy fragte sich, wie er diese Nachricht aufnehmen würde.
    Er klappte sein Stethoskop zusammen, schob es in die Tasche seines Buschhemdes und stapfte über den staubigen kleinen Hof des Hospitals zu dem grauen flachen Gebäude mit Wellblechdach hinüber, wo die Krankenschwestern untergebracht waren. Er stieß die Pendeltür auf und betrat eine kühle düstere Halle, bestückt mit spanischen Rohrmöbeln, Stapeln alter Modezeitschriften und Blumentöpfen mit kümmerlichen Kakteen oder Kriechpflanzen. Mary Dillon schwang ihre Beine vom Sofa herunter und stand auf, um ihn zu begrüßen.
    »Setzen Sie sich, Doktor. Ich hole uns was zu trinken.«
    Sie ging zu dem Kerosinkühlschrank, der in einer Ecke stand, und nahm eine Flasche Bier und zwei Gläser heraus. Während sie eingoß, beobachtete Bellamy sie eindringlich aus zusammengekniffenen Augen. Während der letzten drei Tage war sie sichtlich älter geworden – nein, älter war nicht das richtige Wort; reifer, das war's. Ihre Haut war jung und faltenlos, die Figur fest, ihr Gang federnd und selbstsicher. Doch ihre Züge waren irgendwie härter geworden. Über ihren Backenknochen war die Haut straffer, und der Mund war schmaler; die Augen blickten in weitere Fernen; Vorsicht oder Zurückhaltung lag in ihrem Wesen, als wäre ihr die Umgebung, in der sie sich bewegte, noch ein wenig fremd.
    Sie reichte ihm sein Glas, trug das ihre zum Sofa und setzte sich. Sie prosteten sich förmlich zu und tranken. Ruhig fragte sie ihn: »Wie geht es Lance?«
    Bellamy trank einen großen Schluck Bier und füllte sein Glas nach, bevor er antwortete: »Ganz gut, wenn man bedenkt, was er durchgemacht hat. Die Infektion haben wir unter Kontrolle. Die gebrochene Rippe wächst mit der Zeit auch wieder zusammen. Die Verbrennungen heilen allmählich ab. In ein paar Wochen werden wir ihn so ziemlich wiederhergestellt haben.«
    »Ist das alles?« Sie sah ihn über den Rand ihres Glases prüfend an; Erschöpfung und Mangel an Schlaf hatten unter ihren Augen tiefe Schatten gebildet.
    Er zögerte einen Augenblick. Dann zuckte er die Achseln und sagte offen heraus: »Nicht ganz. Sein Herz hat einen Schaden davongetragen.«
    »Wie groß ist der?«
    »Also … um das genau festzustellen, brauchen wir genauere Untersuchungen, als ich sie hier vornehmen kann. Auf jeden Fall wird er sich schonen müssen. Keine schwere Arbeit, keine anstrengende Bewegung. Regelmäßigkeit, so wenig Aufregung wie
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