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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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schwirrten durch das ätherische Licht, als hätte man mit großzügiger Hand Silberstaub in die Luft geworfen. Manche setzten sich, erschöpft von ihrem munteren Treiben, auf Wolken, die wie bauschiger weißer Tüll in das klare Blau drapiert waren. Nur waren sie alle nackig; auf ein Lendentuch konnten sie hier droben verzichten, denn der Himmel ist der Ort der unverhohlenen Wahrheit.
    Wer dies je schauen durfte, konnte feststellen, dass sie da nichts hatten. Es gab nichts zu verhüllen, denn Engel sind geschlechtslos. Ich verstand, warum das so sein musste. Hätten sie, wie von großen Malern dargestellt, doch ein Zipfelchen, müsste es auch das Gegenstück geben. Womit sich nun Engel grenzenlos vermehren würden, und zu diesem Überschwang wären diese Wesen fähig, denn was sie tun, tun sie mit großer Begeisterung. Natürlich ist der Himmel ewig und unendlich, aber wo man sich ewig vermehrt, würde auch eine Unendlichkeit eng.
    Und bei all diesen irrigen Annahmen hat man noch gar nicht in Betracht gezogen, dass die selbstständige Fortpflanzung der Engel eine entscheidende Schwächung der Schöpferallmacht Gottes bedeuten würde. Wenn jemand neue Engel erschaffen darf, dann nur er.
    Zu guter Letzt muss man noch mit bedenken, dass eine geschlechtliche Fortpflanzung im Himmel nicht mehr möglich ist. Hier sind alle Begierden erloschen. Der Himmel ist eben entgegen der landläufigen Vorstellung keine immerwährende Happy Hour. Einen Alkoholausschank gibt es dort ebenso wenig wie spezielle Abteilungen für bayerische Menschen. Der bayerische Mensch hat nur in seiner barocken Wesensschau viel von dem vorweggenommen, was einem da oben begegnen wird.
    Keine Begierden mehr. Das klingt hart nach Nirwana, unterscheidet sich aber grundlegend, weil es im Himmel gefällige Wesen der freundlichen Art gibt, Engel zum Beispiel, und kein gleichförmiges Nichts, in dem alles erloschen ist. Um sich von dem Glück der himmlischen Existenz eine angenäherte Vorstellung machen zu können, muss man sich probehalber eine Welt ohne Arschlöcher und Peinsäcke denken. Einfach nur freundliche, einander wohlgesinnte Menschen, die stets Gutes tun. Damit gäbe es keinen Hass, keinen Kampf mehr, die Liebe würde nicht gesucht, sie wäre gefunden. Ein himmlisches Wesen strebt nicht nach Erfüllung, es hat sie. Deshalb wird ein Bolzmann nicht einmal die Schwelle zum Himmel betreten dürfen.
    Und was würde ich schon zurücklassen? Einen Körper voller Gebrechen. Eine anschauliche Vorstellung durchzog mich, wie aus meinen Fingern vermöge der großen Verwandlung Büschel von Bärlauch wuchsen, und wie Kleinstbestandteile von mir, die etwas vollkommen Neues geworden waren und doch ich selbst blieben, nun ein Rahmsüppchen oder Pesto illuminierten.
    Da kam etwas neben mich, eine warme Aura, wie sie nur einen hochgestellten Engel umgeben konnte, und die Zuneigung eines Wesens hüllte mich ein, dessen Name Emma lauten musste – wäre es mir nur erlaubt, weiter auf der Erde zu verweilen.
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