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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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ich mich um. Den aufgehängten Plakaten nach war er so etwas wie eine ökologische Allzweckwaffe. Gegen den Ausbau des Münchner Flughafens und weitere Zerstörung des Erdinger Mooses war er ebenso wie gegen ein geplantes Großbordell an der Freisinger Landstraße oder den Betrieb des Garchinger Atom-Eis.
    – Und, sagte er kauend, jetzt habt ihr drinnen in der Stadt auch Probleme?
    Ich nickte. Natürlich duzte er mich.
    – Wie lief das bei euch mit der Prinz-Rupprecht-Halle, erzähl doch mal!
    Er tupfte sich den Mund ab.
    – Eigentlich optimal. Erst mal muss man sagen, dass der Bolzmann von Anfang an mit uns kooperiert hat. Das ist ja auch nicht selbstverständlich.
    – Inwiefern?
    – Nachdem er spitzgekriegt hat, dass ihn die Rechten geleimt hatten, ist er zu uns in die Bezirksversammlung gekommen, hat sich hingestellt und gesagt: Leute, ich sitze ziemlich in der Scheiße.
    – Aha!
    – Fand ich gut. Geradeheraus und offen.
    – Und was habt ihr dann gemacht?
    – Öffentlichkeit. Erst mal musst du darüber einen Druck erzeugen, verstehst du? Presse, Rundfunk und so. Die Leute können sich nur über etwas aufregen, wenn sie davon wissen. Klar, oder?
    – Kleine Kampagne?
    Er lächelte zufrieden und striegelte mit den Fingern seinen Schopf.
    – Hat gut geklappt.
    – Warum sollte die Halle denn überhaupt verkauft werden?
    Er vollführte mit Armen und Schultern eine Geste großer Hilflosigkeit.
    – Kultur hier draußen? Ganz schwer! Bei dem Überangebot.
    – Aber es gab doch Theater, Kabarett und solche Veranstaltungen.
    – Aber in der großen Halle, gab er zu bedenken. Dafür haben sie ja ohnehin schon einen kleineren Teil abgetrennt. Sonst sitzen hundert Leute in einem Raum für tausend.
    Die Sache war klar. Stan hatte sein Projekt in die Miesen gefahren. Er brachte in der Prinz-Rupprecht-Halle nichts mehr auf die Beine, was sich wirklich rentiert hätte. Und ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie druckvoll er versuchte, das Gebäude zu verkaufen. An wen auch immer.
    – Aber wo ist jetzt das Problem, eine solche Immobilie gewinnbringend zu verkaufen? Da müsste es doch Interessenten ohne Ende geben.
    Dörfler lächelte und striegelte.
    – Siehst du, da muss man sich eben schon ein bisschen auskennen. Die Halle ist damals von der Stadt mit der Auflage verkauft worden, dass dort, zu einem gewissen Teil zumindest, eine kulturelle Nutzung stattfinden muss. Und deswegen hat sich außer den Neonazis niemand für die Halle interessiert, verstehst du?
    Ich ahnte, was nun kommen würde, und Dörfler servierte es postwendend.
    – Und das war der Hebel für uns, da gab es Spielraum. Durch die Initiative ist erreicht worden, dass die Stadt die Auflage aufheben möchte. Ist ja auch das Mindeste, denn Geld gegen rechts zum Rückkauf wollen die nicht aufbringen.
    – Und jetzt?
    – Jetzt hat eine Kooperative zugegriffen, die wir immer favorisiert haben. Da haben sich verschiedene Firmen zusammengeschlossen, die dort jetzt eine Art großen Bauernmarkt und Spezialläden für verschiedene Bioartikel anbieten wollen.
    Was für ein Wurf! Ein Biodiscounter am Stadtrand. Im Gewerbegebiet mit ausreichend Parkplätzen. Dörfler freute sich.
    – Ein schöner Erfolg, oder? Die Rechten zurückgekämpft!
    – Kann man wohl sagen, entgegnete ich grimmig.
    Mehr musste ich nicht wissen. Da hatte sich Stan Bolzmann eine wunderbare Strategie zurechtgetüftelt, die er mithilfe solcher nützlicher Idioten in die Tat umsetzte. Unterm Strich hatte seine angegammelte Immobilie eine enorme Wertsteigerung erfahren. Noch dazu hatte man ihm einen passenden Investor besorgt.
    53
    Allmählich setzte sich in meinem Kopf das ganze Bild zusammen. Um meinen Verdacht zu stützen, fehlten mir allerdings noch entscheidende Details. Aber ich war sicher, die Nase richtig im Wind zu haben.
    Auf dem Rückweg zum Bus holte ich mir meine Metzgersemmel. Aus Trotz gegen den Biodiscounter. Der Kleinhandel ist an sich schon ein Biotop und muss unterstützt werden. Außerdem betrieb ich selbst einen. Nur dort gab es noch Fachwissen, das sich in kluger Beratung widerspiegelte, und die unbedingte Liebe zum eigenen Produkt. Und die war dem Metzgermeister anzusehen. Wie ein Kostverächter wirkte er nicht, eher wie einer, der abends selbst aufaß, was er untertags nicht verkaufen konnte. Mit Fug und Recht durfte einmal auf seinem Grabstein stehen, dass er sich mit Leib und Seele dem Fleischerhandwerk verschrieben hatte. Rotgesichtig, von mächtigem Hochdruck und
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