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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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noch andere Geruchsprobleme, denn das Jackett verströmte die scharfe Aura eines Desinfektionsmittels. Offenbar benutzte der Mann ein Deodorant von der Eleganz eines Urinalwürfels,
    Endlich drang ich in den Gastraum des Lokals vor. Weit kam ich jedoch nicht.
    – Endlich, Otto, wo stecken Sie denn?
    Ich spürte einen harten Klammergriff am Oberarm und wurde unsanft herumgedreht.
    – Gossec? Das ist ja gelungen!
    Ich blickte in das Gesicht von Landsdorfer. Er machte eine kurze Kopfbewegung zu einem in der Nähe stehenden hochgewachsenen Mann. Er wirkte auch sonst sehr austrainiert.
    – Zivilpolizei, sagte eine fast sanft anmutende Stimme hinter mir, die in seltsamem Kontrast zu der Tatze stand, die sich auf meinen Unterarm legte.
    – Dass sich ein Mensch in solche Bodenlosigkeiten hineinsteigem kann! Unfassbar!
    Landsdorfer schüttelte sein kurz geschorenes Haupt.
    – Immer noch auf der Spur der ganz großen Verschwörung?
    Eine Antwort erwartete er nicht. Hinter Landsdorfer lugte ein dicker Mann hervor. Sein Anzug war zu gut für einen Kellner, aber dem Kleidungsstil nach gehörte er zum Haus.
    – Den kenne ich auch, sagte er.
    Sein fleischiges Gesicht war von einer quer laufenden Narbe entstellt.
    – Sie haben doch damals mit dem Bolzmann zusammengearbeitet. Bei dieser Depotgeschichte.
    Ich erkannte Innerkofler und erschrak. Landsdorfer drängte ihn beiseite.
    – Lass die alten Geschichten. Wir haben jetzt andere Probleme.
    Er wendete sich wieder an mich.
    – Was haben Sie mit Otto gemacht?
    – Sitzt im Separee neben der Toilette. Man hat ihn mit Bier begossen.
    Landsdorfer zog eine skeptische Stirnfalte und verschwand mit Innerkofler, der offensichtlich der Wirt war, in die bezeichnete Richtung. Kurze Zeit später kam er allein zurück. In seiner erhobenen Linken ließ er einen Autoschlüssel pendeln.
    – Ist in Ordnung, sagte er zu dem Zivilen.
    Mein Unterarm wurde um eine schwere Tatze leichter. Landsdorfer ließ den Schlüssel in meine Hand fallen.
    – Sie fahren uns jetzt in die Staatskanzlei hinüber.
    Ich wollte protestieren, er schnitt mir jedoch das Wort ab.
    – Einen problemloseren Abgang hier hinaus kriegen Sie definitiv nicht geboten. Der Beamte wird Ihnen den Wagen zeigen. Alles klar?
    Ich nickte, und wir verließen das Lokal. In unmittelbarer Nähe des Restaurants parkte eine stattliche Limousine, wie sie auch Politiker gerne benutzen, es sei denn, sie müssen bei einem Klimaschutzgipfel Vorfahren.
    Landsdorfer bestieg den Wagen in Begleitung eines Mannes. Der trug den Kragen seines Mantels hochgeschlagen und machte einen abwesenden Eindruck. Landsdorfer redete unausgesetzt auf ihn ein. Er hatte einen schwarzen, ledergebundenen Planer aufgeschlagen und repetierte Termine. Kurz vor dem Lenbachplatz hatte ich meine Nervosität abgelegt und versuchte den anderen im Rückspiegel zu mustern. Sein Gesicht war blass und sorgengefurcht. Dazu wirkte er abgespannt und krank. Ich verwarf den Gedanken, der in mir zu nagen begonnen hatte. Hätte er die gewohnt frische Farbe, das polternde Auftreten und massiger wirkende Statur gehabt, hätte ich gesagt, es handle sich um unseren Ministerpräsidenten. Aber einer wie ich konnte sich da nicht sicher sein.
    Wortlos verließ er den Wagen und strebte dem Eingang der Staatskanzlei entgegen, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Der Schlag stand noch offen. Landsdorfer tippte mir auf die Schulter.
    – Fahren Sie den Wagen in die Tiefgarage dort vorne, legen Sie die Uniform rein. Schlüssel lassen Sie stecken.
    Er stieg aus und streckte noch einmal den Kopf herein.
    – Ich sehe Sie morgen in meiner Kanzlei. Punkt zehn.
    Er warf die Tür zu und verschwand ebenfalls in dem Gebäude.

50
    Ich schlief traumlos tief. Wie schon seit Wochen wachte ich morgens mit einem so klaren Kopf auf, dass ich fast schon vergessen hatte, wie sich ein Kater anfühlte. Als ich an meine Ladenkasse ging, um mir ein wenig Kleingeld für Frühstückshörnchen abzuzwacken, stellte ich fest, dass das Wort Ebbe nur mehr unzureichend beschrieb, was ich dort vorfand. Wann hatte ich eigentlich zuletzt gut verkauft? Eine eisige Angst packte mich am Arsch. Bald konnte ich nach nebenan in die Arbeitsagentur kriechen, um mich für Hartz IV auspeitschen zu lassen.
    Ich pulte die letzten drei, schon etwas betagten Prinzenkekse aus der Packung und trank einen Kaffee. In was für einen aussichtslosen Fall hatte ich mich da hineingebaggert! Ich ließ alles schleifen, das Geschäft, meine Beziehung
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