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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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und kam dennoch nicht vom Fleck. Ich setzte mir ein Limit bis zum Wochenende. Wenn ich bis dahin nichts erreicht hatte, wollte ich wenigstens dafür sorgen, dass ich nicht in ein Pennerdasein abrutschte.
    Wie bestellt rief Julius an, um festzustellen, ob ich ohne therapeutische Intervention über den Tag kommen würde.
    – Hast du schon deinen Rechner laufen?, fragte ich.
    – Was willst du wissen?
    – Diese Freimanner Bürgerinitiative wegen der Prinz-Rupprecht-Halle hat doch sicher eine Website.
    Ich hörte seine Tastatur klappern.
    – Dachte ich mir doch, dass dich das interessiert. Was brauchst du?
    – Einen Namen, eine Nummer.
    Er nannte mir Herrmann Dörfler, mit dem ich kurz danach telefonierte. Ich sagte, dass wir in der Innenstadt auch zunehmend mit Neonazis zu tun hätten, ob ich mir da ein paar Tipps von einem erfahrenen Kämpfer wie ihm abholen könnte. Dörfler zeigte sich geschmeichelt. Jederzeit. Heute Nachmittag sei zudem das Bürgerbüro geöffnet. Ich versprach vorbeizuschauen.
    Jetzt, da ich so flott am Telefonieren war, rutschte mir fast wie von selbst Emmas Büronummer heraus. Es hieß, sie sei unterwegs und daher nicht am Platz. Ob ich später noch einmal anrufen könne?
    Ich schaltete das Radio ein. Ein akademischer Regensburger Spezialist erklärte gerade näselnd im Telefoninterview, warum der gestern vollzogene Rücktritt des bayerischen Ministerpräsidenten logisch sei. Er habe jeden Rückhalt in der Partei verloren. Dazu habe er es sich mit den wichtigen Interessengruppen draußen durch seine unbedachten Äußerungen verscherzt. Außerdem müsse die Partei mit der Erkenntnis leben, dass sich seit Strauß selig keiner mehr zum unangefochtenen Vorsitzenden habe aufschwingen können. Diese goldene Analyse war so haltbar wie Presssack in Dosen und ließ sich beim nächsten Mal wiederverwenden. In der Kurzzusammenfassung der Nachrichten wurde noch einmal festgehalten, dass der Ministerpräsident gestern Abend resigniert und seinen Rücktritt erklärt hatte.
    Ich wählte die Nummer von Landsdorfers Kanzlei und fragte, ob mein Name denn angesichts der aktuellen Lage noch im Terminkalender stehe. Das nun nicht gerade, hieß es dort, aber man erwarte mich. Eingedenk meiner schmalen Kasse packte ich zum wiederholten Mal den Prinzregenten in den Bus und fuhr los. Nach einiger Überlegung kramte ich auch die gestohlene Fotografie hervor und legte sie dazu.
    51
    Im Wartezimmer verbrachte ich nur kurze Zeit, immerhin ausreichend, um das mitgenommene Foto wieder an seinen angestammten Platz zurückzuhängen. Dann empfing mich Landsdorfer in seinem Arbeitszimmer, netterweise an der Tür, denn sein Schreibtisch war in dem weitläufigen Raum allenfalls in Rufweite. Hätte man sich in einem normal großen Haus befunden, hätte man bei der Gestaltung seines Zimmers von Wintergarten gesprochen. Die breite Glasfront jedoch, die in die ausgedehnte Terrasse hinausragte, wirkte eher wie die Kommandobrücke eines Luxusliners. Auf dem Tisch waren Kaffee und Gebäck hergerichtet, darunter auch zwei zuckergussglänzende Nusshörnchen, die mir nimm mich! zuflüsterten. Ich zierte mich noch eine Weile, weil Edelhörnchen in einer solch feudalen Umgebung womöglich mit der Kuchenzange anzufassen und rundherum abzunagen waren. Als aber Landsdorfer selber mit den Fingern puderzuckerbestäubtes Plundergebäck herausfischte, kannte ich kein Halten mehr.
    – Sollten Sie in diesen Turbulenzen nicht anderswo sein, fragte ich schallgedämpft durch das Hörnchen im Mund, um das Gespräch mit etwas Nettem zu eröffnen.
    Landsdorfer blies und wischte sich Puderzucker vom Revers.
    – Alle Entscheidungen sind bereits gefallen. Und nur dass das klar ist: Einer wie ich, der schon so viel in der Politik erlebt hat, ist in solchen Situationen immer als Berater gefragt. Auch wenn es nichts nützt, fügte er nach einer Weile hinzu.
    Er nahm einen Schluck aus der Tasse.
    – Aber das geht Sie, wie alles andere auch, was ich sonst so mache, einen feuchten Kehricht an. Was wollen Sie eigentlich?
    – Wolfertshofer. . .
    Mehr musste ich gar nicht sagen. Landsdorfers Gesicht verfärbte sich ungut.
    – Der Mann war nett und witzig. Punkt. Ansonsten war er genau derselbe kleine Kläffer wie alle anderen Brettlartisten auch. An dem, was der gewusst hat, war weder etwas wichtig noch gefährlich. Brosamen waren das, aber allerhöchstens! Was glauben Sie denn, wie Politik funktioniert? Dass wir jemanden von Rott am Inn zum Böhmerwald
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