Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
sechs Bier im Leib astrein ausdrücken kann, gilt dies nicht; es muss halt gesagt werden, was gesagt werden muss. Den vier ausgefuchsten Spielern jedoch war dieses Ritual ein Quell beständiger Freude. Man amüsierte sich königlich.
    Der Schreiner saß an dem gewohnten Platz und klopfte seine Trümpfe wie Schläge auf den Arsch des Gegners herunter. Nach erfolgreichem Abschluss des Solos schnappte er sich das Schälchen mit dem Geldeinsatz in der Mitte und leerte es vor sich aus. Der fällige Rest wurde nachbezahlt. Ich stellte mich kurz vor und sagte, ich sei ein Freund von Wolfertshofer.
    – Zahlt ihr immer gleich aus?
    Er nickte.
    – Immer. Direkt nach dem Spiel. Sonst hast du Schwierigkeiten und kriegst dein Geld nicht mehr.
    – Und an dem Abend mit Wolfertshofer?
    Er schaute mich an.
    – Dasselbe hat mich der Inspektor auch gefragt. Pass auf: Wir schreiben grundsätzlich nicht auf.
    Eigentlich wusste ich schon, was ich hatte erfahren wollen.
    – Und Bolzmann, der Grauhaarige in dem schwarzen Anzug, war der noch da? Ich meine: Könnten Wolfertshofer und er später alleine gespielt haben?
    Er zuckte die Achseln.
    – Was weiß ich? Für mich ist hier spätestens um zwölf Schluss. Ich komme ja von auswärts. Aber das könnte schon sein, dass die hinterher noch weitergespielt haben. Der Graue war eine Zeit lang weg, dann hat er sich wieder dazugesetzt. Ich weiß nur eines: Schafkopfen kann der nicht, so dumm wie der dahergeredet hat.
    – Poker?
    Wieder zuckte er die Achseln.
    – Entschuldigst schon. Aber es geht ja kein Spiel mehr zusammen, wenn ich dauernd rede.
    War schon in Ordnung. Seine Auskünfte waren bereits erschöpfend, ich bedankte mich und ging.
    55
    Eine Zeit lang hatte ich mit dem Gedanken gespielt, gleich zu Stan aufzubrechen. Diese Idee verwarf ich jedoch wieder, es war zu spät, ihn noch in seinem Büro aufzutreiben. Ich musste bis morgen früh warten. Auf meinem Anrufbeantworter war Dieselhofer. Er müsse mich dringend sprechen. Ich ahnte, worum es ging. Bestimmt hatte er denselben Verdacht wie ich. Zurückrufen wollte ich ihn nicht. Natürlich würde er versuchen, mein Treffen mit Stan zu vereiteln. Die Überführung eines Täters betrachtete er als seine Angelegenheit.
    Aber ich brauchte diese letzte Konfrontation. Es ging nicht nur um einen Fall, ein Stück meiner Lebensgeschichte musste zum Abschluss gebracht werden. Allerdings war ich es Dieselhofer schuldig, ihm meine Erkenntnisse mitzuteilen. Ich setzte mich hin und schrieb alles nieder, was ich wusste. Bei dieser Arbeit hatte ich ausreichend Gelegenheit, meine Gedanken zu klären und alles noch einmal Revue passieren zu lassen. Am Ende war ich ganz sicher, dass ich mich nicht auf dem Holzweg befand. Ich steckte die Papiere in einen Umschlag, den ich an Dieselhofer adressierte. Diesen Brief trug ich sofort zum Postkasten. Mein Wissen in die Welt gebracht zu haben, erleichterte mich und gab mir für morgen Rückhalt.
    Dann legte ich mich auf meine Chaiselongue und starrte gegen die Decke. War es richtig, wenn Stan mich eine Null, eine Niete nannte? Weiter als zum Hinterhoftrödler hatte ich es nie gebracht. Geld oder ein Geschäft hatte ich zwar nie ausgeschlagen, aber eine gute und vor allem reelle Gelegenheit, einen Sack Gold abzuschleppen, war mir dabei nie gewährt worden. Doch meinen Weg konnte man guten Mutes weitergehen, der von Stan hingegen war zu Ende.
    Allerdings wies auch meine Geschichte einen Makel auf. Es war ein großer Fehler gewesen, die Sache mit ihm nicht schon damals erledigt zu haben. Eingeklemmt in eine vermeintliche Freundesloyalität, hatte ich mich auf die Kumpanei mit einem skrupellosen Kerl eingelassen. Womöglich hatte ich ihn damit auf seinem Weg bestätigt. Wie sollte er innehalten, wenn ihm niemand Widerstand leistete? Seine Methoden funktionierten. Dorthin, zu diesem Punkt, musste ich zurück; meine Vergangenheit hatte mich eingeholt.
    Und ich hatte Angst. Stan war eigentlich ein überlegener Gegner. Schon früher war er gedanklich schneller und durchsetzungsfähiger gewesen. Ich hatte das stets anerkannt und mich ihm untergeordnet. Diesen Unterwerfungsreflex ihm gegenüber bekam ich nicht weg. Ich würde ihn nur dann in den Griff bekommen, wenn ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite hatte. Darauf hoffte ich.
    Ich brühte mir noch einen Tee auf. Der Gedanke an Essen war mir zuwider, besser war es zu fasten, um die Ausrichtung auf den morgigen Tag nicht zu verlieren. Die Konzentration, die ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher