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Nachtwelt

Nachtwelt

Titel: Nachtwelt
Autoren: Theres Buechner
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Irgendwo wird er sie lagern und
die Sachen den jeweiligen Besitzern zur Heimreise Besitzern wieder aushändigen.
    „Also, organisieren kann der Stock. Fast
ein wenig militärisch“, sagt Mimi, während sie neben Herrn Buschke wartet, dass
die Fähre anlegt.
    „Ja“, antwortet der, „aber blöd find’ ich
den trotzdem.“
     
    Langsam schiebt sich die Fähre an den für
sie vorgesehenen Platz. Auf dem Parkplatz vor den Anlegern stehen vier
Pferdefuhrwerke. Die Wagen haben dicke Gummireifen und sind höher als normale
Kutschen. So können sie über den Strand und durch seichtes Wasser fahren.
    Jede der Kutschen wird von riesigen
Friesen gezogen, in deren lange, schwarze Mähnen Blumen und kleine Glöckchen
geflochten sind. In der Sonne schimmert das schwarze Fell der Pferde blau. Ihre
Größe ist beeindruckend und ihre Gelassenheit hat etwas Beruhigendes.
     
    Nach kurzer Zeit hat die
Hochzeitsgesellschaft die einzelnen Wagen besetzt. Man sitzt sich auf langen
Holzbänken, auf denen bunte Kissen für Rücken und Po verteilt sind, gegenüber.
    Mit einem kleinen Ruck setzen sich die
Kutschen in Bewegung. Dann fallen die Pferde in einen leichten Trab. Während
der Fahrt vom Fähranleger in Wittdünn nach Nebel, ist nur das gleichmäßige
Geklapper der Pferdehufe zu hören. Die Gäste genießen schweigend die Inselfahrt,
die sie an Reet gedeckten Häuschen vorbei führt.
     
    Vor der schlichten, weißen Kirche halten
die Kutschen. Die Hochzeitsgäste versammeln sich vor dem Eingang, wo ihnen von
drei jungen Frauen und drei jungen Männern, die die hiesige Amrumer Tracht
tragen, Sekt gereicht wird.
    Nachdem der Stock ihnen mitgeteilt hat,
dass noch eine ¾ Stunde Zeit bleibt, bis die Trauung beginnt, verteilt sich die
Gesellschaft auf dem Kirchengelände. Einige sitzen auf Bänken und genießen, mit
geschlossenen Augen, die Frühlingssonne. Andere schlendern über den Friedhof.
In diesem Moment sind sich Leben und Tod sehr nah.
     
    Mimi steht vor einem der alten Grabsteine
und versucht zu entziffern, was dort geschrieben steht. Ein Seemann muss hier
seine letzte Ruhe gefunden haben, da über der Inschrift ein großer Schoner
eingemeißelt wurde. Plötzlich steht ein kleiner Junge neben ihr und zieht ihr
am Rock. „Bist du Mimi?“, will der Kleine wissen. Als sie nickt, sagt der
Knirps: „Du sollst mal mitkommen.“
     
    Schon hat der kleine Mann ihre Hand
gegriffen und zieht sie hinter sich her. Der Junge ist kaum älter als sechs
Jahre, scheint aber genau zu wissen wo es hingehen soll.
    „Wo willst du denn mit mir hin?“
    „Zu der schönen Frau.“
    Na ja, denkt Mimi , wäre ja auch ein Wunder, wenn ein schöner
Mann nach mir verlangte.
    Der Junge wechselt die Straßenseite und hält
sich links, in Richtung Ortsausgang. Dann, nach nicht einmal hundert Metern,
bleibt der Kleine vor einem blau gestrichenen Gartentor stehen und sagt: „Da
musst du rein.“
    „Die Frau muss ja wirklich hübsch sein,
wenn du so nett bist und ihr hilfst, mich hierher zu bringen.“
    „Ja ist sie und außerdem hat sie mir fünf
Euro gegeben.“
     
    Typisch Mann, denkt Mimi, während sie das Gartentor
aufstößt. Und da steht sie, inmitten des riesigen Gartens, neben einem der
vielen Obstbäume. Mehr als ein Unglaublich bekommt Mimi nicht heraus.
    Petra rennt auf sie zu und drückt sie: „Gott
sei dank, du bist hier. Was macht deine Verletzung?“
    Mimi schüttelt verständnislos den Kopf: „Wo
bitte sollte ich an diesem Tag sein, wenn nicht hier. Und woher weißt du, dass
ich mir wehgetan habe.“
    „Als ich heute Morgen aufwachte hatte ich
auf einmal Sorge, dass du, aus irgendeinem Grund, nicht kommen würdest.“
    „Never!!“
    „War wohl auch bloß so ein blödes Gefühl.
Ja, äh, deine Verletzung?“, Petra überlegt. „Ach, Michi und Andy haben mich
angerufen, um mir Glück und nicht enden wollende Liebe zu wünschen. Sie sagten,
sie hätten dich heute früh gesehen, um dir mein Geschenk zu geben. Bei der
Gelegenheit haben sie erzählt, dass du aus dem Bett gefallen bist und dir die
Rippen geprellt hast. Soll sich Ben das angucken?“
    „Nee, der ist doch kein Arzt, der ist
Anästhesist. Außerdem spielen meine Rippen jetzt keine Rolle. Lass dich
ansehen.“
     
    Mimi ist ein paar Schritte zurückgegangen,
um Petra besser ansehen zu können. Die trägt ein schlichtes, gerade
geschnittenes Kleid aus naturfarbener Wildseide, dass ihr bis zu den Knien
reicht. Über das Hochzeitskleid hat sie eine knöchellange Weste
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