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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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rekonstruiert, analysiert? Wo ist die bis ins kleinste organisierte Technik der Fahndung, der kein Fahrraddieb und kein noch so windiger Betrüger entgehen kann? Wo bleibt die immer wieder aus berufenem Munde vorgetragene Behauptung, eine moderne Kriminalpolizei würde unweigerlich jedem Serienmörder nach drei oder vier Morden das Handwerk legen?
    An der neuesten Station des unbekannten Massenmörders herrscht Hochbetrieb. In Meißen wimmelt es plötzlich von Mördern. Auf einmal faßt man sie zu Dutzenden. Tausend Mark Belohnung helfen den Zeugen auf die Beine und rütteln die sächsische Kleinstadt aus dem Winterschlaf. Aber der einzige konkrete Zeuge bleibt die Nacht, die den Todesschrei der blutjungen hellblonden Schauspielschülerin Lotte Merkel verschlang.
    Die unsicheren Kantonisten aus der Kartei der Sittenpolizei sind längst wieder in Freiheit. Sie hatten alle ihr Alibi, und die Polizei erfuhr nur zu genau, daß es stimmte. Dann waren noch drei Männer vorübergehend festgenommen worden, die Kratzverletzungen im Gesicht hatten. Lotte Merkel hatte sich sicher gewehrt und vermutlich den Mörder gezeichnet, aber keinen der drei Festgenommenen. Einer war bei einem Autounfall verletzt worden, der zweite hatte sich beim Rasieren geschnitten, und der dritte war in eine Schlägerei geraten. Zwei Landstreicher erwiesen sich ebenfalls als harmlos.
    Wo die Mordkommission hinlangte – und sie langte überall hin –, griff sie ins Leere. Der Tagesablauf des Kriminalkommissars Danz erwies sich als sinnloser Hexentanz.
    Jetzt verfolgt die Mordkommission eine letzte Spur: Sie verdächtigt Horst Hagedorn, einen Kollegen der Ermordeten, einen 25jährigen Schauspieler, der dem 16jährigen Mädchen lange nachgestellt hatte. Lange und vergeblich.
    Ist Lotte Merkel einem Racheakt und nicht einem Sittlichkeitsverbrechen zum Opfer gefallen? Hat ihr Mörder nur geschickt das Motiv getarnt?
    Der junge Mann, der dem Kriminalkommissar gegenübersitzt, hat ein weiches, blasses, ein wenig aufgeschwemmtes Gesicht. Seine Augen wirken unsicher. Seine Hände spielen unruhig. Er spricht zu schnell oder zu langsam. Und was er sagt, klingt mitunter sehr unüberlegt.
    »Ich will jetzt gehen«, sagt er zum Kommissar. »Ich lasse mir das nicht länger gefallen.«
    »Wann Sie gehen, bestimmen wir«, erwidert Danz. Der Kommissar zündet sich eine Zigarette an. Er ist schlank und groß und wirkt weit jünger, als er ist. »Wir wissen, daß Sie monatelang hinter der Ermordeten her waren.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Wie Sie wollen«, entgegnet Danz. »Passen Sie auf, junger Mann, damit wir uns richtig verstehen: Sie werden aus der Untersuchungshaft erst dann entlassen, wenn wir zu hundert Prozent wissen, daß Sie unschuldig sind. Das wissen wir erst, wenn wir jede noch so nebensächliche Kleinigkeit verfolgt haben. Wenn Sie also nach Hause wollen, so sagen Sie die Wahrheit und nichts anderes, und lassen Sie gefälligst die Faxen.«
    »Ich war an dem Tag zu Hause. Ich war schon um zehn Uhr im Bett. Ich habe um Mitternacht noch die Nachrichten gehört, dann bin ich eingeschlafen. Das ist alles, was ich zu dieser Geschichte sagen kann.«
    »Nicht so schnell«, erwidert der Kommissar. »Erstens: Sie waren ganz allein zu Hause!«
    »Dafür kann ich doch nichts«, schreit der Schauspieler.
    »Gut«, antwortet der Kommissar, »das belastet Sie auch noch nicht so sehr. Was Sie belastet, ist Ihr hartnäckiges Leugnen, daß Sie hinter der Ermordeten her waren.«
    »Und wenn ich es nicht leugnete?«
    »Dann wären wir ein Stück weiter«, versetzt Danz. Er unterbricht seinen Fußmarsch. Er drückt die Zigarette aus. Er sieht einen Augenblick zum Fenster hinaus, vor dem ein paar Straßenjungen Fußball spielen. Es ist längst Mittagszeit, aber er merkt es nicht.
    »Es ist einfach lächerlich«, beginnt Hagedorn unsicher, »Sie verstehen das nicht. Es ist einfach lächerlich für einen Mann, so etwas zuzugeben. Wenigstens dann, wenn er keinen Erfolg hatte.«
    Der Kriminalkommissar nickt.
    »Sie dürfen nicht glauben, daß das eine große, tragische Liebesgeschichte war. Mir hat die Lotte ganz gut gefallen. Kunststück, ich war ja nicht der einzige, dem sie gefiel. Na, und einmal, da ist es eben passiert. Sie kam gerade aus ihrer Garderobe heraus, und ich begegnete ihr auf dem Gang.«
    Horst Hagedorn stockt.
    »Weiter«, sagt der Kommissar.
    »Ich habe meinen Arm um sie gelegt und habe sie geküßt.«
    »Und?«
    »Da hat sie mir eine heruntergehauen, Herr
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