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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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Genau an dieser Stelle. Genau an diesem Haus. Neben diesem Haus ist ein Garten.
    Und in diesem Garten wird es geschehen.
    Schritte. Das helle Klicken von Damenabsätzen. Dazu der knirschende Schritt von Männerschuhen. Angespannt beugt sich der Mörder nach vorn und lauscht in die Nacht hinein. Ein Auto fährt mit abgeblendeten Scheinwerfern auf der Straße.
    Dann kommt das Pärchen näher. Der Mann, dessen Schatten unsichtbar an der Hausmauer klebt, kann jetzt jedes Wort ihrer Unterhaltung verstehen.
    »Er bedeutet mir nichts, glaub mir doch.«
    »Dann verstehe ich nicht, warum du dich nicht von ihm trennst«, entgegnet die Männerstimme.
    »Das ist nicht so leicht.«
    »Wenn du mich lieben würdest …«
    »Aber ich liebe dich doch. Wie oft soll ich es dir denn noch sagen?«
    Dann verschwindet das Paar am Ende der Brehnaer Straße an der Stelle hinter der Bahnunterführung in unmittelbarer Nähe des Spritzenhauses, das in Richtung Halle liegt.
    Dann wird es still. Gespenstisch still. Der Mörder zündet sich wieder eine Zigarette an. Die vorletzte. Wenn ›sie‹ Geld bei sich hat, wird er danach wieder rauchen können. Meistens haben sie Geld bei sich, wenn es auch nicht viel ist.
    Jetzt geht die junge, hübsche Frau dem Tod entgegen. Ahnungslos wie all die anderen. Acht Stunden täglich sitzt sie an der Kinokasse, dann kommt die Abrechnung. Wenn alles klappt, dauert es nur eine halbe Stunde. Heute hatte sie zwei Mark zu viel eingenommen. Sie mußte lange rechnen, bis sie den Fehler fand. Sie ist nicht mehr recht bei der Sache in ihrem Beruf. In vier Wochen wird sie heiraten. Heinz hat jetzt endlich Arbeit gefunden. Als Vorarbeiter beim Autobahnbau. Er verdient gut. Er hat schon siebenhundert Mark nach Hause geschickt. Dazu gibt es jetzt ein Ehestandsdarlehen. Und eine kleine Wohnung ist auch schon in Sicht.
    Die junge Frau geht langsam. Die Nachtluft tut ihr gut. Sie hat nur noch 200 Meter bis zu ihrer Wohnung. Ganz langsam nähert sie sich dem dunklen Haus. Und ganz leise schleicht sich der Mörder nach vorn.
    Zehn Schritte ist sie noch von ihm entfernt.
    Der Mann wirft seine Zigarette weg. Er schnellt auf sein Opfer zu. Hilde K. dreht sich erschrocken um.
    Da trifft sie der erste Schlag.
    Sie sackt zusammen. Der Mann packt sie und schleppt die fast Bewußtlose in den Schrebergarten.
    Sie kommt wieder zu sich, wehrt sich verzweifelt. Die Angst verleiht ihr Riesenkräfte. Sie schlägt den Mörder ein paarmal ins Gesicht. Mit voller Wucht. Aber was nützt das …
    Vier Stunden später wird sie gefunden. Von Straßenarbeitern. Sie alarmieren das Rote Kreuz. Man bringt sie in ein Krankenhaus. Die Ärzte schütteln bedenklich den Kopf. Sie tun, was sie können. Und sie können viel.
    Hilde K. kommt mit dem Leben davon. Nach drei Wochen wird sie schon aus dem Krankenhaus entlassen.
    Ein winziger Zufall hat ihr das Leben gerettet. Ein unglaublicher Zufall. Erst viele Jahre später wird sie ihn erfahren. Noch ein zweites Opfer kam davon. Aus demselben Grund: Hilde K. hatte sich, bevor sie das Kino verließ, die Stirn mit Kölnischwasser angefeuchtet. Der vertierte Mörder aber ließ immer dann von seinen Opfern ab, wenn sie nach Kölnisch rochen …
    Immer wieder wird Hilde K. vernommen. Die Bitterfelder Polizei ist sich von Anfang an darüber im klaren, daß auf sie ein Mordanschlag und nicht nur ein Raubüberfall verübt wurde. Die Polizei weiß, daß ein Zufall die Überfallene dem sicheren Tod entrissen hat.
    »Wie sah er aus? Können Sie ihn nicht deutlicher beschreiben?« fragt ein Kriminalbeamter.
    »Ich habe ihn ja kaum gesehen«, entgegnet die junge Frau. »Ich war ja nicht darauf gefaßt. Er muß klein und untersetzt sein. Aber diese Augen – ich kann sie nie vergessen. So starr und so kalt.«
    »Haben Sie den Mann vorher schon einmal gesehen?«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Würden Sie ihn wiedererkennen?«
    »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.«
    Nach monatelanger Fahndung wächst über diesen Fall Gras. Natürlich gab es auch hier Verdächtige und Verhaftete. Aber mit jedem Tag, der ergebnislos verstrich, schwand die Aussicht, den Mörder zu fassen.
    Er ist längst nicht mehr in Bitterfeld. Knapp zwei Stunden nach der Tat hat er die Stadt verlassen. Mit sieben Mark sechzig Beute.
    Auch in Meißen nichts Neues. Auch hier Resignation. Es wächst Gras über dem frischen Grab der Lotte Merkel. Horst Hagedorn ist entlassen. Er ist nicht mehr in Meißen. Mit seiner Karriere ist es vorläufig aus. Er
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