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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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Lichtbildern aus der Spezialkartei der Sittenabteilungen vor. Jedesmal schüttelt er den Kopf.
    Und dann kommen die ersten Festnahmen. Wer irgendwann irgendwo einschlägig mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, wird herangeschleppt und Otto Weber gegenübergestellt.
    Am Abend konstatiert die Mordkommission resigniert, daß der Tag für sie verloren ist. Am nächsten wieder. Am dritten weiß sie mit Bestimmtheit, daß sie den Fall ohne Hilfe von außen nicht klären kann.
    Jetzt muß Berlin eingreifen. Aber Berlin schläft. Den Schlaf des Selbstgerechten. Berlin läßt wissen, daß die Aufklärung des Verbrechens an Lotte Merkel auf örtlicher Ebene zu suchen und zu finden ist. Ein Fall, der nur die Stadt Meißen angeht – meint das Reichskriminalpolizeiamt.
    An das Reichskriminalpolizeiamt, die neu geschaffene Zentrale für ganz Deutschland, muß jedes Verbrechen gemeldet werden.
    In Berlin liegen in den Tresoren schon seit langer Zeit Akten ohne Beispiel, die Akten der Fälle:
    Berta Liebau, geboren am 7. Juli 1871 in Berlin, ermordet und mißbraucht am 11. Februar 1924 in ihrer Wohnung Berlin N 65, Lynarstraße 13;
    Klara Ulbrich, geborene Wilke, ermordet und mißbraucht im Wald bei Berlin-Rahnsdorf, wohnhaft in Weißensee, Sedanstraße 96;
    Hilde Wechselbaum, ermordet in Leipzig, Berliner Straße;
    Berta Holdschuh, ermordet und mißbraucht am 12. Mai 1925 im Zimmer 121 des Kaufmannserholungsheims Friedrichroda;
    Dora Rydigier, ermordet und mißbraucht am 8. August 1926 in Berlin;
    Lina Schmidt, ermordet und mißbraucht am 6. Dezember 1926 in Leipzig;
    Auguste Bittrich, ermordet und mißbraucht am 15. Juli 1929 in der Nähe von Stettin;
    Kreszenz Albrecht, ermordet und mißbraucht am 16. September 1929 in Kaufering;
    Friedericke Lukov, ermordet und mißbraucht am 12. Juni 1930 in Viesen;
    Anna Matschke, ermordet und mißbraucht am 29. November 1930 in Berlin;
    Ida Wölkerling, ermordet und mißbraucht am 21. Juli 1933 in Bülstringen;
    Berta Schulz, ermordet und mißbraucht am 24. September 1933 an der Landstraße Werndorf-Schmöckwitz.
    Das ist nur ein Teil der Akten, die beim Reichskriminalpolizeiamt als ungeklärte Fälle aufliegen und die alle die gleichen Symptome aufweisen.
    Vom Mörder keine Spur.
    Lauter Fälle auf örtlicher Ebene, sagt Berlin – wird Berlin noch lange behaupten. Niemand kommt auf die Idee, die Akten miteinander zu vergleichen, auf die Idee, daß es sich hier um einen einzigen Mörder handeln könnte, auf die Idee, den Mörder in Deutschland zu suchen.
    Der Mörder setzt jetzt an zu einer Kette von Verbrechen, die in der Kriminalgeschichte ohne Beispiel ist.
    Wieder lauert sein Schatten auf der schlechtbeleuchteten Straße, im halbdunklen Hausflur oder am entlegenen Bahndamm – irgendwo in Königsberg oder München, in Hamburg oder in Berlin. Oder in irgendeinem namenlosen Dorf.
    Wieder greift der Mörder nach neuen Opfern. Er sucht sie sorgfältig aus, bevor er sie tötet. Er mordet Frauen, und unter ihnen wiederum ganz bestimmte. Er folgt einem unheilvollen System, das der Schlüssel zu seiner Verhaftung wäre – wenn ihn die Polizei fände. So aber rast er kreuz und quer durch Deutschland, vorwärtsgepeitscht von einem Drang, von einer Gier, von einem Trieb, getrieben von der Mordlust.
    Der Mörder ist überall und nirgends. Sein Schatten kommt aus dem Dunkel der Nacht, und in die Nacht verschwindet er wieder, bevor man ihn greifen kann. Die Beweglichkeit hat er der Polizei voraus. Wie dieser menschliche Teufel so blitzschnell den Schauplatz wechseln kann, das ist das Haupträtsel, vor dem die Polizei steht. Die bekanntesten Kriminalisten Deutschlands kommen jahrelang nicht darauf. Entsetzt und betroffen werden sie eines Tages feststellen, wie lächerlich einfach, wie primitiv dieses Phänomen war.
    Bis zu jenem Tag aber werden noch mindestens 56 Menschen ermordet werden. Bis zu jenem Tag werden Dutzende von Unschuldigen eingesperrt werden, um Verbrechen zu büßen, mit denen sie nichts zu tun haben.
    Bis dieser Tag die entsetzliche Klärung bringen wird, muß ein Unschuldiger unter dem Fallbeil sterben. Noch auf seinem letzten Gang wird er zwischen Gebeten und Verwünschungen seine Unschuld beteuern. Und niemand wird ihm glauben.
    Ein unfaßbares Schicksal will es, daß die menschliche Bestie zwanzig Jahre lang unbehindert morden darf.
    Gibt es so etwas? Kann man so etwas erklären? Wo ist die berühmte Kriminaltechnik, die mit wissenschaftlicher Präzision obduziert,
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