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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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einem Stöhnen in das Bett zurück, und das verkrampfte Gesicht löst sich.
    Der Massenmörder schläft in den Tod hinüber.
    So endet der Fall Lüdke – ein Fall ohne Beispiel, ohne Parallele, ein Fall ohne Gnade. Zwanzig Minuten nach der Injektion stellt der Arzt den Tod fest. Die Leiche des Massenmörders kommt sofort in die Anatomie. Das Skelett wird präpariert, das Gehirn konserviert. Dann schließen sich die Akten über den Fall wie ein Deckel über die Kloake.
    Es gibt keinen Fall Lüdke mehr.
    Es hat ihn nie gegeben.
    Nach dem Willen des Reichssicherheitshauptamts soll die Bevölkerung zumindest nicht während des Krieges erfahren, was sich im NS-Ordnungsstaat ereignet hat. Unschuldige Verfolgte werden unter der Hand freigelassen, jedoch nicht ordentlich rehabilitiert. Sie erhalten keine Haftentschädigung. Wenn man sie nicht mehr aus der Haft entlassen kann, da sie bereits hingerichtet worden sind, wird das Todesurteil nicht aufgehoben. Damit niemand erfährt, wie viele Justizmorde die blutige Köpenickiade gefordert hat, stellt man es auch nicht fest. Die solchermaßen vertuschte Blamage entspricht nicht nur dem Staatsinteresse, sondern ist für manche Polizeidienststelle, die bei den Ermittlungen geschludert hat, sehr bequem.
    Niemand untersucht, warum man zum Beispiel aus einem Sexualmord amtlich einen Verkehrsunfall mit anschließender Fahrerflucht machte, warum man die Akten schönte und vorzeitig abschloss.
    Für alle Fälle jedoch verwahrt man das Dossier im Panzerschrank. Nach dem Endsieg soll der Kampf gegen die Kirchen beginnen, die sich mutig der Euthanasie entgegengestellt haben. Vielleicht ist dann der Trottel von Köpenick brauchbar, um eine Lex-Lüdke zu begründen und Behinderte nicht nur heimlich zu ermorden.
    Aber den Endsieg erringen die Alliierten.
    Als die Russen Berlin berennen, ergeht der Befehl, die Akten zu verbrennen. In diesen Tagen des Wirrwarrs und der Angst, mitten im Kampf ums Überleben, verfügt ein Kriminalbeamter der früheren Sonderkommission über die Geistesgegenwart wie über die Zivilcourage, eine Kopie des Dossiers an sich zu nehmen, über den Zusammenbruch hinwegzuretten und damit grell zu beleuchten, was sie gewesen war, die Ordnung auf nationalsozialistisch.
     
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