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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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durchkramten. Der Besitz von Geld war bei ihm unverdächtig, da er sehr oft von der Wäschereikundschaft zum Teil erhebliche Trinkgelder erhalten hatte.
    Die Schwestern des Lüdke sagten aus, daß ihr Bruder stets verschlossen gewesen sei und seinen Eltern trotz härtester Bestrafung nie verraten hätte, wo er sich tagelang herumgetrieben habe.
    Seine Flegeleien wurden von der Köpenicker Bevölkerung als unvermeidbares Übel hingenommen und belächelt. Belästigungen von Frauen mit unsittlichen Redensarten waren bei Lüdke an der Tagesordnung. Beim Vergleich der einzelnen Mordfälle fiel auf, daß niemals von der örtlichen Mordkommission brauchbare Fingerabdrücke gesichert werden konnten. Darüber befragt, sagte Lüdke, daß er Handschuhe trug, weil die Polizei einen Täter an Hand von Fingerabdrücken fassen könnte.
    Die Sonderkommission stellte auch umfangreiche Ermittlungen darüber an, ob Lüdke einzelne Opfer zunächst nur in Raubabsicht überfiel und die Sexualverbrechen nur das Nebenmotiv gewesen sein könnten. Das bestreitet Lüdke energisch. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür. Die Tatsache daß der Mörder ein Mensch von abschreckender Hässlichkeit ist, bewirkte, daß er die Freundschaft von Frauen, die ihm zusagten, nicht erlangen konnte. So geriet er zwangsläufig in das Prostituiertenmilieu. Es ist anzunehmen, daß die von ihm aufgesuchten Dirnen, sobald sie merkten, daß Bruno Lüdke geistig minderwertig war, ihn bis zur Erschöpfung seiner Geldmittel ausnützten. Dadurch will der Mörder auf die falsche Bahn geraten sein. Nach seiner Darstellung war der erste Mord eigentlich ›Zufall‹. Durch diesen ›leichten‹ Erfolg ermutigt, will Lüdke jetzt erst darangegangen sein, planmäßig zu morden.
    Bis zum Sommer 1926, Bruno Lüdke war achtzehn Jahre alt, hat er bereits sechs Frauen getötet. Dann fallen die letzten Hemmungen.
    Die Sonderkommission führt in diesem Schlußbericht nur die Fälle an, bei denen jeder Zweifel, daß Bruno Lüdke der Mörder war, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
    Der Gesamtbetrag für Hinweise zur Ermittlung des Täters beläuft sich auf 47.300 Mark. Das Aktenmaterial wurde durchgesehen, ob noch Ausschreibungen verdächtiger Personen oder Haftbefehle gegen sie bestehen. Die Bereinigung der Akten ist im Gange.
    Soweit der Schlußbericht des Kriminalkommissars Franz. Himmler fordert darüber hinaus einen Zusatzbericht an, warum der Mörder so lange nicht gefaßt wurde.
    Konferenz im Reichskriminalpolizeiamt. Hinter verschlossenen Türen. Gesteht man sich jetzt wenigstens die Fehler der Polizei ein? Erörtert man die fragwürdigen Gutachten der Sachverständigen? Kommen die Aktenfälschungen zur Sprache? Hat einer der leitenden Beamten den Mut, darauf hinzuweisen, daß das beste Fahndungsinstrument die Presse ist? Daß man Bruno Lüdke mit Sicherheit zumindest Jahre vorher gefaßt hätte, daß zwanzig, dreißig Menschen noch am Leben wären, wenn die Öffentlichkeit von den Taten des Bruno Lüdke etwas gewußt hätte? Wenn sie geahnt hätte, daß es einen Massenmörder gibt, dessen blutiger Schatten durch ganz Deutschland geistert?
    Das Ergebnis dieser Geheimkonferenz ist billig und verlogen. Das Reichskriminalpolizeiamt stellt fest, daß nicht die Polizei, sondern die Bevölkerung bei der Fahndung nach Bruno Lüdke versagt hatte.
    Darüber, daß die Öffentlichkeit keine Ahnung vom Köpenicker Massenmörder hatte, schweigt das Protokoll.
    Für Kriminalkommissar Franz ist der Mordfall Bruno Lüdke erledigt. Nicht ganz zu seiner Zufriedenheit. Er äußert wiederholt die Absicht, daß er nach dem Krieg versuchen werde, den Köpenicker Mordfall noch einmal aufzurollen. Dazu aber wird es nicht mehr kommen. Beim Einmarsch der Russen in Berlin kommt der mutige Beamte ums Leben.
    Bruno Lüdke wird nach Wien überstellt. Die Universität erhält den Auftrag, noch eine Reihe von Experimenten, wie Gehirn- und Rückenmarkpunktionen, Blutproben und ähnliche Versuche, mit ihm anzustellen. Ein Berliner Staatsanwalt diktiert in das Protokoll:
    ›Falls Bruno Lüdke hingerichtet wird, sind Kopf und Hände sowie das Skelett zu konservieren.‹
    Acht Tage nach seiner Einlieferung in das Wiener Polizeigefängnis läßt die dortige Polizei wissen, daß die Experimente in Frage gestellt seien, wenn nicht Beamte der Sonderkommission, zu denen Lüdke Zutrauen hat, nach Wien kämen. Zwei Beamte werden dafür abgestellt. Sie werden Brunos Ende als Augenzeugen erleben.
    Sie wissen,
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