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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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aufgeschnappten Zielbahnhof. Dort angelangt, unternahm er größere Fußwanderungen. Wenn er bei diesem Umhertreiben einen Mord verübt hatte, fuhr er jeweils sofort mit einem der drei hier genannten Transportmittel nach Hause zurück.
    Bei seinem Umhertreiben pflegte Lüdke von Lebensmitteln zu leben, die er sich durch Betteln verschaffte. Durch sein unterwürfiges Wesen und seine offensichtlich übertrieben dargestellte Beschränktheit gelang es ihm in den meisten Fällen, besonders bei Frauen, Mitleid zu erregen und sie zur Hergabe eines Almosens zu bewegen. Falls ihm das verweigert wurde, benahm er sich ausfallend und frech und beschimpfte die Leute. Es wurde mehrfach bekannt, daß er mit Tätlichkeiten drohte, wenn seine Bettelei keinen Erfolg hatte.
    Er nahm auch Gelegenheitsarbeiten an, um zu Geld zu kommen. Er hackte Holz und klopfte Teppiche aus, wobei er als Gegenleistung Essen verlangte.
    Wie viele geistig minderwertige Personen war Lüdke frühzeitig geschlechtsreif. Es muß vermutet werden, daß er schon im Alter von vierzehn bis fünfzehn Jahren sein erstes Erlebnis mit einem Straßenmädchen hatte. In diesem Alter trieb er sich in den Wäldern umher und beobachtete Liebespärchen. Die Ermittlungen ergaben, daß er nicht nur Sadist in einem nicht mehr zu übertreffenden Maße, sondern auch Kleider- und Schuh-Fetischist ist. Außerdem ist er Pyromane – das Legen von Feuer verschaffte ihm Lustgefühle.
    Sein Hang zur Grausamkeit wird ebenfalls durch wiederholt vorgekommene Tierquälerei offensichtlich.
    Wiederholt zog er Schuhe der ermordeten Frauen an. Frauen, die schwarze, seidene Unterwäsche trugen, waren besonders gefährdet. Im Mordfall Noack, in der Dübener Heide – die Leiche wurde erst eineinhalb Jahre nach der Tat gefunden –, suchte und fand Lüdke Jahre später noch beim Lokaltermin einen Schuh der Getöteten.
    Über seinen Frauentyp befragt, sagte der Mörder aus, daß er schwarzhaarige oder dunkelblonde, korpulente, ältere Frauen besonders anziehend fände. Einen besonderen Reiz übten Frauen auf ihn aus, die gut frisiert waren. Eigenartig bei ihm ist, daß er Parfümgeruch nicht vertragen kann und das Einatmen dieses Geruchs Brechreiz bei ihm verursacht – was mit Sicherheit mehreren Frauen das Leben rettete.
    Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich bei Lüdke um einen Menschen mit äußerst primitiver Lebensauffassung handelt. Er ist nicht in der Lage, leichte Rechenaufgaben zu lösen oder einen zusammenhängenden Satz zu schreiben. Bei seinen Vernehmungen sprach er stotternd, abgehackt und bediente sich derart primitiver Ausdrücke, daß die Sonderkommission große Mühe hatte, den Sinn des von ihm Gesagten zu erfassen. Über seine Zukunft hat er sich nie irgendwelche Gedanken gemacht. Die bei einem normalen Menschen angeborene Vorsorge war bei ihm überhaupt nicht entwickelt. Sein ganzes Streben war, recht gut zu essen, wenig zu arbeiten und hinter den Frauen herzulaufen.
    Er ist ein starker Raucher und spricht gern dem Alkohol zu. Er ist sich darüber im klaren, daß er vom Gericht nicht als zurechnungsfähig angesehen wird, und nützt diesen Zustand aus. Im Laufe der Vernehmung wurde immer wieder beobachtet, daß sich Lüdke offensichtlich dümmer stellt, als er in Wirklichkeit ist. Man gewinnt den Eindruck, daß er listig und verschlagen ist und sich immer dann dumm stellt, wenn ihm unangenehme Fragen vorgelegt werden.
    Erstaunlich sind das außerordentlich gute Ortsgedächtnis und das Erinnerungsvermögen. Bei der Erörterung der einzelnen Mordsachen sind ihm in keinem Fall Lichtbilder von Tatorten, an Hand derer er sich hätte erinnern können, vorgelegt worden. In fast allen Fällen schildert er die Mordtaten so genau, daß sie mit dem Inhalt der Mordakten übereinstimmen. Es kam natürlich wegen der Vielzahl der Fälle vor, daß er Einzelheiten einer ganz anderen Mordsache in die gerade zur Erörterung stehende hineinbrachte. Dadurch erhielt die Sonderkommission oft wichtige Hinweise für andere Straftaten, die ihr noch gar nicht bekannt waren.
    Die Vorsicht, mit der Lüdke die Morde verübte, läßt ebenfalls erkennen, daß er nicht so dumm ist, wie er sich stellt. Um der Festnahme oder Verdächtigung vorzubeugen, nahm er fast nie Gegenstände der Ermordeten mit nach Hause. In fast jedem Fall hat Lüdke die Handtaschen der im Freien ermordeten Frauen weggeworfen, nachdem er das Bargeld entwendete. Er wußte, daß ihm seine Eltern und Geschwister die Taschen
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