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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Autoren: Andrea Camilleri
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Eins
    So wie sich der Morgen präsentierte, kündigte sich ein gräßlicher Tag an, mal würde die Sonne vom Himmel brennen, mal eisiger Regen niederprasseln, und auch mit ein paar heftigen Windböen war zu rechnen. Wenn an solchen Tagen Kopf und Kreislauf unter dem plötzlichen Wetterwechsel leiden, kann es schon mal vorkommen, daß man dauernd seine Meinung und seine Gefühle ändert, so wie sich die Blechdinger in Form einer Fahne oder eines Hahns beim kleinsten Windstoß auf den Dächern in alle Himmelsrichtungen drehen.
    Commissario Salvo Montalbano gehörte immer schon zu dieser bedauernswerten Sorte Mensch; denn er hatte die Wetterfühligkeit von seiner Mutter geerbt, die kränklich gewesen war und sich oft ins abgedunkelte Schlafzimmer zurückgezogen hatte, weil sie an Kopfschmerzen litt. Dann mußte es im Haus mucksmäuschenstill sein, und man durfte nur auf Zehenspitzen herumlaufen. Sein Vater dagegen war immer gesund, bei jedem Wetter, er war stets ausgeglichen, egal, ob es regnete oder die Sonne schien.
    Auch an diesem Tag blieb der Commissario seiner offensichtlich angeborenen Unschlüssigkeit treu: Kaum war er mit dem Auto am Kilometer zehn der Provinciale zwischen Vigàta und Fela stehengeblieben, wie ihm aufgetragen worden war, wäre er am liebsten wieder umgekehrt und ins Dorf zurückgefahren und hätte die ganze Sache sausenlassen. Aber er nahm sich zusammen, parkte das Auto näher am Straßenrand und öffnete das Handschuhfach, um seine Pistole herauszuholen, die er normalerweise nicht umgeschnallt hatte. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne: Er rührte sich nicht und starrte gebannt auf die Waffe.
    Madonna santa! Es stimmt wirklich! dachte er.
    Am Abend zuvor, ein paar Stunden bevor Gegè Gulottas Anruf die ganze Geschichte ins Rollen gebracht hatte – Gegè war ein kleiner Dealer weicher Drogen und Betreiber eines Bordells unter freiem Himmel, bekannt als Mànnara –, hatte der Commissario einen Krimi gelesen, der ihn ziemlich beschäftigte und dessen aus Barcelona stammender Autor außerdem den gleichen Nachnamen trug wie er, nur in der spanischen Version: Montalbán. Ein Satz hatte ihn besonders beeindruckt: Die schlafende Pistole sah aus wie eine kalte Eidechse. Leicht angewidert zog er seine Hand zurück, schloß das Fach und ließ die Eidechse schlafen. Wenn sich diese Geschichte, die da ihren Anfang nahm, als übler Trick, als Falle herausstellen sollte, dann hätte er seine Pistole schon ganz gern dabei, aber die würden ihn sowieso, ohne mit der Wimper zu zucken, mit einer Kalaschnikow durchlöchern, und dann war eh alles zu spät. Er konnte nur hoffen, daß Gegè eingedenk der Jahre, die sie in der Grundschule nebeneinandersitzend verbracht hatten – auch als Erwachsene waren sie Freunde geblieben –, in seinem Interesse nicht beschlossen hatte, ihn den Hunden zum Fraß vorzuwerfen, und ihm irgendeinen Mist erzählt hatte, um ihn in einen Hinterhalt zu locken. Nein, nicht irgendeinen: Wenn die Geschichte stimmte, dann war sie ein dicker Hund und würde großen Wirbel machen.
    Er holte tief Atem und stieg, langsam einen Fuß vor den anderen setzend, einen schmalen steinigen Pfad zwischen langen Reihen von Weinstöcken hinauf. Was hier wuchs, war eine Tafeltraube mit runden, festen Beeren, die, weiß der Himmel warum, uva d'Italia hieß, die einzige, die auf diesem Boden gedieh; für den Anbau jeder Keltertraube konnte man sich hier in der Gegend Kosten und Arbeit sparen.
    Das einstöckige Häuschen, ein Zimmer oben, eines unten, stand ganz oben auf dem Hügel, halb verborgen hinter vier mächtigen Olivenbäumen, die es fast vollständig umschlossen.
    Es sah genauso aus, wie Gegè es beschrieben hatte: Tür und Fenster verriegelt, die Farbe ausgebleicht, auf dem Platz davor ein riesiger Kapernbusch und kleinere Sträucher winziger wilder Melonen, die bei der geringsten Berührung mit einem spitzen Stock aufplatzen und ihre Kernchen verspritzen, ein umgekippter Stuhl, dessen geflochtener Sitz gebrochen war, ein alter Zinkeimer zum Wasserholen, der vom Rost zerfressen und unbrauchbar geworden war. Der Rest war von Gras überwuchert. All das trug zu dem Eindruck bei, daß der Ort seit Jahren unbewohnt war, aber der Schein trog, und Montalbano war zu erfahren, als daß er sich davon hätte überzeugen lassen. Er war sogar sicher, daß ihn jemand vom Inneren des Hauses aus beobachtete und aus seinen Bewegungen schloß, was er vorhatte. Er blieb drei Schritte vor der Tür stehen, zog
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