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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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widersetzte.
    Für Bruno Lüdke ist der letzte Tag ein Tag wie jeder andere. Er steht um sieben Uhr auf, trinkt seinen Malzkaffee, verlangt Zigaretten und erhält sie. Dann kommt Kriminalsekretär S. und holt ihn ab. S. sieht heute blass und übernächtigt aus. Aber das fällt Bruno Lüdke nicht auf.
    »Wie lange soll det noch jehen? Ick hab' jetzt die Schnauze voll.«
    »Ist schon gut, Bruno. Es ist bald vorbei.«
    »Na, da bin ick mal jespannt.«
    Erst muß noch ein Befehl des Berliner Staatsanwalts ausgeführt werden. ›Gesicht und Hände des Mörders sind zu konservieren‹, hat er vor einiger Zeit angeordnet.
    Der Wagen fährt zum Gerichtsmedizinischen Institut. Bruno kommt in einen abgesperrten Raum.
    »Wat habt ihr denn heute mit mir vor?« fragt Lüdke.
    »Tut nicht weh«, entgegnet einer der Psychologen. »Heute machen wir ein Bild von deinem Kopf.«
    »Warum denn det?«
    »Na, sei doch froh, kostet ja nichts. Wirst berühmt auch noch. Dein Gipskopf kommt in die Galerie.«
    Mit so belanglosen Reden werden die letzten Lebensstunden des Bruno Lüdke eingeleitet.
    Er muß den Oberkörper entkleiden. Er sitzt auf einem Stuhl und grinst blöde. Die Sache macht ihm Spaß. Endlich mal was Neues!
    »Tut det ooch nich weh?« fragt er, während er beobachtet, wie die Moulagemasse für die Maske mit Wasser angemacht wird.
    »Überhaupt nicht«, erwidert einer der Ärzte, »und es dauert auch nicht lange. Wir schmieren jetzt das Zeug in dein Gesicht und warten, bis es trocken ist. Dann wird es wieder abgenommen, und wir machen das gleiche mit deinen Händen.«
    »Möcht' nur wissen, warum ihr det überhaupt macht«, brummt Lüdke vor sich hin. Da kommt schon der Mann mit der Moulagemasse auf ihn zu.
    »Augen und Mund zu, Bruno«, sagt er. »Das Zeug schmeckt nicht gut.«
    Lüdke lehnt sich zurück. Zentimeterdick wird die Masse aufgetragen. Ein gespenstisches Bild. Der Mörder als Golem, als gipsverkrustetes Untier. Zwei Stunden lang muß er so sitzen. Zwei Stunden lang wartet er geduldig, bis man ihm die Maske abnimmt. Er rührt sich nicht. Er ist folgsam wie ein Kind. Seltsamerweise ist er guter Laune. Heute, gerade an diesem Tag, der sein letzter sein wird, haben ihn die nächtlichen Zwangsvorstellung seines bevorstehenden Todes verlassen.
    Geduldig streckt er seine Hände hin. Noch einmal wiederholt sich die Prozedur. Ab und zu dreht er sich nach Kriminalsekretär S. um und fragt ihn etwas. Aber der Beamte ist heute zerstreut. Er kann den üblichen Ton nicht finden. Das Todesurteil kam für ihn überraschend. Er war der Meinung, daß er mit Bruno Lüdke nach Berlin zurückfahren würde.
    Gegen Mittag ist das letzte Experiment mit Bruno Lüdke beendet. Er kommt in das Untersuchungsgefängnis zurück. Eigentlich hätte er am Morgen bereits hingerichtet werden sollen. Aber man läßt sich Zeit damit. Man ist hier, im Gerichtsmedizinischen Institut, auf Hinrichtungen nicht vorbereitet. Ein Wissenschaftler ist kein Henker, selbst wenn ihn das Reichskriminalpolizeiamt dazu degradieren will.
    Bruno Lüdke isst zum letzten Mal. Unter Aufsicht eines Wärters.
    »Bei euch jibt es nich mal wat Anständiges zu fressen«, sagt er. »In Berlin war det janz anders. Hier will ick nicht mehr herkommen. Wien ist 'ne janz miese Stadt. Kann ick noch wat von dem Zeug kriegen?«
    »Will mal sehn«, entgegnet der Wärter.
    Der Gefängnisbeamte weiß nicht, was heute Nachmittag mit Bruno Lüdke geschehen wird. Den genauen Sachverhalt wird er auch hinterher nicht erfahren. Man wird ihm am Abend mitteilen, daß Bruno Lüdke plötzlich einem Herzschlag erlegen sei. Dasselbe wird in den Akten stehen. Und selbst diese Akten noch werden ›Geheime Reichssache‹ bleiben.
    »Wat is' denn heute noch alles los?« fragt Lüdke.
    »Weiß ich nicht«, antwortet der Gefängnisbeamte.
    »Wo bleibt denn der S.?«
    »Der wird dich gleich abholen.«
    Ein paar Minuten später ist der Kriminalsekretär zur Stelle.
    »Immer noch nischt von Berlin jehört?« fragt ihn Lüdke.
    »Nein.«
    »Ick gloobe, die Kerle pennen dort.«
    »Kann schon sein«, gibt S. zu.
    »Hast du dem Franz schöne Grüße von mir bestellt?«
    » Ja .«
    »Wenn er in der Woche nich kommt, mach' ick nich mehr mit!«
    »Er wird schon kommen.«
    Kriminalsekretär S. würde etwas darum geben, wenn es diesen Nachmittag in seinem Leben nicht gäbe. Gewiss, der Mann ihm gegenüber ist ein MultiMörder, aber es dürfte ebenfalls außer Frage stehen, daß er schwachsinnig ist, daß er sich
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