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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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verurteilten die Methode, einen Mörder mit Zigaretten zu füttern und ihm Dinge zu versprechen, die sich nicht halten ließen. Als Beamte alter Schule missbilligten sie die These des Kriminalkommissars Franz, daß ein außergewöhnlicher Fall auch außergewöhnliche Methoden erfordere.
    Drei Fälle standen in Hamburg zu Buch, drei Fälle, die die Sonderkommission dem Bruno Lüdke zuschrieb.
    1. Am 23. März 1939, zwischen 18 und 19 Uhr, wurde die 42jährige Prostituierte Auguste Mahr in ihrem Absteigequartier in der Winkelstraße 28 ermordet und beraubt.
    2. Am 27. Juni 1940, zwischen ein und zwei Uhr, fiel die 36jährige Ehefrau Henriette Kujer in ihrer Wohnung am Karlsplatz 14 einem Sexualmord zum Opfer.
    3. Am 27. Mai 1929 war die Friseursgattin Mathilde Schlörke in der Brigittenstraße 2 ermordet worden. Das Tatmotiv war nicht einwandfrei festzustellen.
    Bei diesem dritten Mord zumindest kommt die Hamburger Polizei zu ganz anderen Schlüssen als die Sonderkommission Lüdke. Der Mörder hatte vor der Tat mit seinem Opfer in einer Gaststätte gezecht. Deshalb konnten mehrere Zeugen eine übereinstimmende Täterbeschreibung abgeben. Sie wich erheblich von dem Aussehen Bruno Lüdkes ab. Als man diese Zeugen vierzehn Jahre nach der Tat dem vermutlichen Mörder gegenüberstellte, schüttelten die den Kopf. Dieser Aussage aber maß Kriminalkommissar Franz keine Bedeutung bei.
    Gerade im Fall Lüdke hatte er hundertmal festgestellt, wie unzuverlässig das Personengedächtnis der Zeugen sein konnte. Der junge Beamte legte mehr Wert auf die präzise Tatschilderung Bruno Lüdkes. Tatsächlich kannte der Schwachsinnige aus Köpenick Einzelheiten, wie sie eigentlich nur der Mörder wissen konnte.
    Die Hamburger Polizei behauptete aber, daß ihm die Antworten von der Sonderkommission suggeriert worden wären. Daß der Mörder in seinem geradezu hektischen Bestreben, den ihm vertrauten Beamten behilflich zu sein, mit einer gewissen Routine die Antworten gab, die man von ihm erwartete.
    Die Hamburger Kriminalpolizei intervenierte unter Hinweis auf den Fall Schlörke. Kriminalkommissar Franz wurde zur Berichterstattung nach Berlin befohlen. Er verteidigte hartnäckig seine These, daß der doofe Bruno auch Mathilde Schlörke ermordet habe. Vielleicht hätte er diese Annahme nicht so überzeugt vorgetragen, wenn die Differenzen zwischen der Hamburger Polizei und der Sonderkommission Lüdke nicht von Tag zu Tag größer geworden wären.
    Gerade als das Reichssicherheitshauptamt entschieden hatte, daß Bruno Lüdke ohne Gerichtsurteil hinzurichten sei, kam eine erneute Intervention aus Hamburg. Man konnte und wollte sie in Berlin nicht außer acht lassen.
    Man verglich die Akten.
    Was den Fall Schlörke betraf, stand Auffassung gegen Auffassung, und man konnte vom Schreibtisch aus nicht entscheiden, welche die richtige war. Man wollte aber auch keine zeitraubenden Überlegungen mehr anstellen. Man wollte endlich Schluss machen mit dem Fall Lüdke.
    So entschied man von Amts wegen, daß der ›doofe Bruno‹ alle drei Morde in Hamburg verübt habe. Dabei ging man von dem Gedanken aus, daß es letztlich bei der Fülle der Untaten unerheblich sei, ob Lüdke einen Mord mehr oder weniger nicht mehr zugäbe.
    Die Hamburger Polizei aber resignierte nicht einmal, als Bruno Lüdke bereits tot war. Sie ermittelte weiter. Auch nach dem Krieg noch, als die Sonderkommission längst aufgelöst und ihr Chef ums Leben gekommen war.
    Im Jahre 1949 erfuhr die Hamburger Kriminalpolizei eine späte Rechtfertigung: Ein alter Mann meldete sich und gab zu Protokoll, daß er 1929 Frau Schlörke ermordet hätte.
    Wer war nun tatsächlich der Mörder? Der Ungenannte, gegen den nicht einmal mehr ein Haftbefehl ausgestellt werden konnte, weil die Tat bereits verjährt war, oder Bruno Lüdke?
    So gibt es für einen Mordfall zwei Mörder. Ganz offiziell. Denn Ermittlungen können nicht mehr angestellt werden. Ein Fall in der Mordserie des Bruno Lüdke ist offen geblieben.
    Am 8. April 1944 ist es soweit. An diesem Tag soll Bruno Lüdke endgültig sterben. Er weiß noch nichts davon. Aber die Leute seiner Umgebung wissen es. Was sich alles hinter den Kulissen abspielte, bis dieser 8. April herannahte, ist nicht in den Akten verzeichnet. Einer der Ärzte jedenfalls ist jetzt bereit, den Massenmörder Bruno Lüdke auch ohne ordentliches Gerichtsurteil hinzurichten.
    Mittels einer Spritze. Auf einen Befehl hin, dem er sich eine Zeitlang mit größter Zivilcourage
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