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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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Dieses Beil dürfte die Mordwaffe gewesen sein.«
    »Das stellen Sie aber nicht aus eigener Sachkenntnis fest«, unterbricht ihn der Vorsitzende. »Ich bitte Sie, Herr Wachtmeister, Ihre Aussagen auf Ihre eigenen Wahrnehmungen zu beschränken.«
    Der Zeuge bändigt seinen Unwillen.
    »Auch das wurde vom Kriminaltechnischen Institut untersucht«, platzt er dann heraus.
    Der Vorsitzende winkt ab.
    Als nächster Zeuge wird Landgerichtsarzt Dr. Schimmel aufgerufen.
    »Von Ihrer Aussage hängt es voraussichtlich ab«, beginnt der Vorsitzende, noch bevor der Sachverständige seine Personalien nennt, »ob der Angeklagte verurteilt wird oder nicht. Ich glaube, es ist überflüssig, auf die Verantwortung, die Sie übernehmen müssen, hinzuweisen.«
    »Natürlich, Herr Landgerichtsdirektor.«
    »Sie haben also die Haare mikroskopisch untersucht?«
    »Und analysiert, Herr Vorsitzender.«
    »Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«
    »Es steht für mich außer Frage, daß die Haare in der Hand der Toten vom Angeklagten stammen.«
    »Wieso kommen Sie zu dieser Feststellung?«
    »Es ist das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen.«
    »Kann diese Untersuchung einmal, sagen wir aus technischen Gründen, falsche Ergebnisse aufweisen?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen, Herr Vorsitzender.«
    »Sind Sie bereit zu beeiden, daß die Haare identisch sind?«
    »Ich bin bereit dazu.«
    Weiß der Angeklagte, der still-verbissen und ohne sichtliches Interesse die Aussage verfolgt, daß ihn der Sachverständige zum Tode verurteilt? Gibt es einen Zuhörer, einen Geschworenen, einen Juristen, der nach der klaren Darlegung des Dr. Schimmel noch an der Schuld des Angeklagten zweifeln könnte? Müßte er nicht jetzt, allerspätestens jetzt, ein Geständnis ablegen und die Gnade des Gerichts anflehen, ihn wenigstens vor der allerschlimmsten, vor der Todesstrafe zu bewahren?
    Bauer wird noch einmal aufgerufen.
    »Sie haben die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen gehört?«
    » Ja .«
    »Behaupten Sie immer noch, daß Sie mit dem Verbrechen nichts zu tun haben?«
    Fritz Bauer starrt auf den Boden.
    »Ja«, entgegnet er dann leise.
    Der Vorsitzende, die Beisitzer, die Geschworenen bemühen sich, ihre Erregung zu unterdrücken.
    »Warum haben Sie Ihre Schuhe versteckt?« fragt der Vorsitzende.
    »Ich habe Angst gehabt.«
    »Wenn Sie nichts verbrochen haben, brauchten Sie auch keine Angst zu haben.«
    »Jeder im Dorf wußte, daß ich etwas mit der Else hatte. Ich habe nie etwas mit dem Gericht zu tun gehabt. Davon verstehe ich nichts. Ich habe nur gehört, daß die Polizei nach Schuhen sucht. Und da habe ich kopflos die Schuhe, die ich an diesem Tag trug, verräumt.« Seine Stimme wird weinerlich. »Ich flehe Sie an, glauben Sie mir doch, Herr Vorsitzender! Es war dumm und falsch von mir, aber ich bin kein Mörder.«
    Er redet vorbei an den betroffenen und abweisenden Zuhörern, an den Geschworenen, die hier sind, um ihre Pflicht zu erfüllen, und die sie erfüllen werden nach bestem Wissen und Gewissen.
    Der Vorsitzende sieht auf seine Uhr.
    »Ich unterbreche die Sitzung zu einer Mittagspause von einer Stunde«, sagt er. »Das Gericht tritt danach in die Plädoyers ein.«
    Zuerst wird der Angeklagte aus dem Saal geführt. Gefesselt. Er geht mit tapsigen Schritten an zischenden, tuschelnden Menschen vorbei, die nie mehr etwas mit ihm zu tun haben wollen, die ihn verdammen, verachten, verfluchen …
    Sein Essen kommt sofort. Er erhält das gleiche wie die beiden Wachtmeister, die ihn bewachen: Nudelsuppe mit dicken Rindfleischbrocken. Er läßt alles stehen.
    »Essen Sie doch!« sagt ein Polizeibeamter.
    »Ich kann jetzt nicht«, antwortet Fritz Bauer.
    »Davon wird es auch nicht besser«, brummt der Beamte. »Los, nehmen Sie sich zusammen, Mann! Sie müssen etwas im Magen haben!«
    Gehorsam würgt der Angeklagte ein paar Bissen hinunter.
    Die Stahlfesseln werden ihm abgenommen. Die beiden Wachtmeister fassen Essen nach. Fritz Bauer wagt nicht, seinen Teller wegzustellen. Der Löffel zittert in seiner Hand. Wenn er zum Fenster hinaussieht, kann er Hunderte von Zuschauern vor dem Gerichtsgebäude sehen. Sein Blick geht von einem zum anderen. Gedankenlos registriert er ihre Namen, vergisst sie im gleichen Augenblick, denkt an Maria, denkt an Else, denkt an sich. Die beiden Polizeibeamten sind jetzt mit dem Essen fertig.
    »Gut«, sagt der eine.
    »Du bist nicht verwöhnt«, erwidert der andere. »Meine Frau kocht besser. Na, heirate erst
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