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Nachts wenn der Teufel kam

Nachts wenn der Teufel kam

Titel: Nachts wenn der Teufel kam
Autoren: Will Berthold
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Verlobung bekanntgegeben werden.«
    Wieder sucht der Angeklagte nach Worten. Er fährt sich ein paarmal mit der Zunge über die trockenen, rissigen Lippen. Jeder kennt seine Geschichte. Jeder kennt Maria. Jeder kannte Else. Jeder wußte, daß Fritz Bauer von Else zu Maria ging. Er war fleißig, man mochte ihn gern. Er trank nicht. Er tanzte selten. Er war ernst und still. Wie gesagt, jeder mochte ihn. Und jeder im Saal, jeder in Reetz ist jetzt davon überzeugt, daß er ein gemeiner, hinterhältiger Mörder ist, der das Fallbeil verdient hat.
    »Sie wollten also Maria heiraten?«
    » Ja .«
    »Und dann erfuhren Sie, daß Else ein Kind von Ihnen erwartet. Deshalb haben Sie die ermordet.«
    »Nein, nein! Ganz bestimmt nicht, Herr Vorsitzender! Gott, hilf mir doch! Ich war es nicht!« Bauers Augen quellen aus den Höhlen. Seine unartikulierten Sätze gehen in Schreie über. »Ich bin unschuldig!«
    »Ich unterbreche die Sitzung, bis sich der Angeklagte wieder beruhigt hat«, sagt der Vorsitzende.
    Die Beweisaufnahme geht ungewöhnlich rasch voran. Sechzehn Zeugen. Die meisten von ihnen könnte sich das Schwurgericht sparen, denn sie haben nicht viel zur Sache zu bemerken. Alles in allem steht das günstige Lebensbild des Angeklagten im krassen Gegensatz zu der Tat, deren ihn der Staatsanwalt beschuldigt.
    Bauer ist bei Pflegeeltern aufgewachsen und erlernte den Beruf seines Adoptivvaters. Tüchtig, fleißig, unauffällig. Ein paar Geschichten mit Mädchen. Harmlos. Dann die Affäre mit Else. Eine echte Liebesgeschichte am Anfang – am Ende eine echte Liebestragödie.
    Der Obduktionsbefund ergab, daß die Ermordete seit vier Monaten in anderen Umständen war. Vier Monate alt war auch die Beziehung Fritz Bauers zu Maria Wagner.
    Das braucht noch nichts zu besagen. Aber die Indizien! Nicht vier, nicht fünf, Dutzende!
    Wachtmeister Heinz Hübner zum Beispiel.
    »Sie waren als erster am Tatort?« fragt ihn der Vorsitzende.
    »Jawohl, Herr Landgerichtsdirektor.«
    »Die Skizze und die Fotografien stammen von Ihnen?«
    »Jawohl.«
    »Was fiel Ihnen sofort auf?«
    »Die Tote hielt in der erstarrten Hand ein Büschel Haare. Es war anzunehmen, daß ihrer Ermordung ein Kampf vorausgegangen war. Also mussten die Haare vom Mörder stammen. Ich ließ sie sicherstellen und sofort vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen untersuchen.«
    Es ist totenstill im Saal. Die Geschworenen – fünf Bauern, drei Handwerker, ein Sparkassendirektor, ein Lehrer, ein Stadtsekretär und eine Hausfrau – verfolgen die Aussage aufmerksam, notieren sich Stichworte, beobachten den Angeklagten.
    »Unabhängig davon tätigte ich meine weiteren Ermittlungen und hatte von Anfang an den Eindruck, daß der Mörder aus dem Dorf stammt. Die Fußspuren des Mörders waren deutlich sichtbar. Er trug Schuhe mit ungewöhnlich breiten und sehr flachen Absätzen. Bei der Fahndung nach diesen Schuhen vernahm ich auch den Angeklagten. Ich bat ihn, mir seine Schuhe vorzuzeigen.«
    Der Vorsitzende nickt.
    »Der Angeklagte wies mir drei Paar Schuhe vor. Damals verdächtigte ich ihn noch nicht. Ich hielt einen ganz anderen Dorfbewohner für den Mörder. Aber dann fiel mir auf, daß die mir vorgezeigten Schuhe frisch geputzt waren. Außerdem benahm sich der Angeklagte überhaupt seltsam. Er schien so gedrückt und so geduckt. Ich stellte deshalb neue Ermittlungen an. Vom Stiefvater erfuhr ich, daß Bauer in Wirklichkeit vier Paar Schuhe besaß. Ich durchsuchte alles und fand das vierte Paar in der Scheune, unter Stroh verscharrt.«
    Der Polizeibeamte spricht jetzt noch lauter, noch deutlicher: »Die Schuhe stimmten mit den Fußspuren genau überein.«
    »Wer stellte das fest?« fragt der Vorsitzende.
    »Zunächst ich, Herr Landgerichtsdirektor«, antwortet Wachtmeister Hübner. »Auf meinen Wunsch wurden Kriminalbeamte aus Stargard beigezogen. Sie kamen zu demselben Ergebnis wie ich. Außerdem ließen wir natürlich noch von Gerichtstechnikern die Spuren überprüfen.«
    Der Landgerichtsdirektor blättert einen Augenblick, zieht dann einen Briefbogen aus seinem Aktendeckel.
    »Ich stelle fest«, sagte er, »daß das Kriminaltechnische Institut in Berlin sechs Tage nach der Tat die Spuren und die Schuhe miteinander verglich und zu demselben Ergebnis kam wie der Zeuge.«
    Er reicht den Brief den Geschworenen, die ihn nacheinander lesen.
    »Außerdem«, fährt der Wachtmeister Hübner fort, »fand ich neben den Schuhen ein Beil, das eingetrocknete Blutflecken aufwies.
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