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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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letzter Zeit unter enormem Druck.“
    „Schon okay.“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Gute Nacht, David.“
    Er legte die Hand wieder auf das mit Leder bespannte Steuer. „Ich will dich zurück, Rain. Ich gebe nicht auf.“
    Ihre Blicke trafen sich, ehe sie die Wagentür hinter sich schloss und das kurze Stück vom Bürgersteig zur Veranda zurücklegte. David wartete vor dem Haus in seinem Wagen, bis sie hineingegangen war. Von der Diele aus beobachtete sie, wie er den Jaguar auf der Straße scharf wendete und die Scheinwerfer des Autos dabei kurz das Baugerüst an einem Nachbarhaus beleuchteten, das gerade renoviert wurde.
    Während David davonfuhr, fragte sich Rain, ob er sein Apartment im French Quarter ansteuern oder erst nach weiblicher Begleitung Ausschau halten würde. David war sexuell unersättlich, das war ihr schon immer klar gewesen. Das machte ihn auch so anziehend. Trotzdem hätte sie nicht damit gerechnet, dass er sie betrügen würde.
    Sie waren damals erst seit ein paar Monaten zusammen gewesen. Eines Abends war Rain zu einer Zeit, zu der sie eigentlich gar nicht im Sender hätte sein sollen, in Davids Büro gekommen. Er hatte reuevoll ausgesehen, als er sich hastig seine Kleidung übergestreift hatte. Ella hingegen hatte es überhaupt nicht eilig gehabt, sich wieder anzuziehen. Sie war lang ausgestreckt auf Davids Tisch liegen geblieben, den Rock bis zu den Hüften hochgeschoben, die Bluse achtlos zu Boden geworfen.
    Er hatte es einen Ausrutscher genannt. Einen Moment der Schwäche, der ihm nicht wieder unterlaufen würde. Trotz Davids Flehen hatte Rain die Beziehung beendet. Nur ihre vertraglichen Verpflichtungen bei Midnight Confessions hatte sie aufrechterhalten. Seitdem war einige Zeit verstrichen, und sie hattenes geschafft, um der Sendung willen eine lockere Freundschaft beizubehalten. Seine Versöhnungsbemühungen wehrte sie jedoch weiterhin ab.
    Als sie ihre Handtasche auf den antiken Tisch legte, der gleich neben der Eingangstür stand, wurde ihr klar, dass es für sie wirklich vorbei war. Ich liebe David nicht mehr. Vielleicht habe ich ihn auch nie richtig geliebt.
    Vor David hatte es eine ganze Zeit lang niemanden in Rains Leben gegeben. Sie war damit beschäftigt gewesen, an der Tulane University ihren Doktor in Psychologie zu machen. Später dann hatte sie ihre Privatpraxis aufgebaut. Währenddessen hatte sie ihre geliebte, aber kränkliche Tante Celeste gepflegt. David hatte die Lücke in ihrem Leben gefüllt, die nach Celestes Tod nur noch größer geworden war. Er hatte sie überredet, bei Midnight Confessions mitzumachen, und hatte dabei nicht zuletzt auf ihr öffentliches Image als Desiree Sommers’ Tochter gesetzt.
    Die Radioshow war ein Fehler gewesen. Sobald ihr Vertrag in drei Monaten auslief, würde sie ihn nicht verlängern. Rain hatte es vor sich hergeschoben, David ihren Entschluss mitzuteilen, doch nach dem heutigen Abend war ihr klar, dass sie es bald würde tun müssen.
    Sie ging weiter ins Haus hinein. Die Villa auf der Prytania Street hatte eine Bedeutung für sie, die weit über den Umstand hinausreichte, dass sie im Register der Historischen Gesellschaft von New Orleans verzeichnet war. Rain hatte ihr ganzes Leben in diesem Haus verbracht – die ersten zwei Jahre mit ihrer Mutter und anschließend mit Celeste. Sie lächelte leicht. Die dunkle Geschichte dieses Hauses war kaum dazu geeignet, sie für das unheimliche Erbe ihrer Familie zu entschädigen. Aber dies war nun mal der Ort, wo sie hingehörte. Rain ging vom Wohnzimmer in die umgestaltete Küche und schenkte sich ein Glas Rotwein ein. Sie fühlte sich hier wohl. Der Treuhandfonds, der sich aus dem Vermögen ihrer Mutter speiste, stellte außerdem sicher, dass sie das Anwesen instand halten konnte.
    Rain trank einen Schluck und überlegte, ob sie so hungrigwar, um sich etwas zu essen zu machen. Eine schwarze Katze sprang unversehens auf die Küchentheke. Rain zuckte zusammen, als sie die rasche Bewegung des Tieres aus dem Augenwinkel wahrnahm, und verschüttete den Wein über ihre Seidenbluse.
    „Dahlia“, schimpfte sie und tupfte den empfindlichen Stoff mit einer Serviette ab. Dahlia war eine Streunerin gewesen und Rain eines Tages zugelaufen. Schnurrend tappte sie nun über die Theke und hielt ihrem Frauchen den Kopf zum Streicheln hin. Während Rain Dahlias Wunsch nachkam, prallte eine Motte gegen das Küchenfenster. Das Licht im Haus hatte sie angezogen.
    Es ist wahr, Rain. Ich mag dich.
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