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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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    Ich bin keine Polizistin. Ich bin auch keine Privatdetektivin, trotz aller gegenteiligen Gerüchte. Ich bestreite meinen Lebensunterhalt, indem ich Pferde reite, aber ich verdiene keinen Cent damit. Ich bin eine Ausgestoßene in meinem erwählten Beruf, und ich will keinen anderen.
    Unglücklicherweise hat unser Schicksal wenig mit dem zu tun, was wir wollen oder nicht wollen. Ich weiß es nur zu gut.
    An jenem Februarmorgen verließ ich das Gästehaus, das ich seit einem Jahr mein Zuhause nannte, als die Sonne gerade herauskam. Der östliche Horizont war in Streifen getränkt von warmen Orange-, Rosa- und Gelbtönen. Ich liebe diese Stunde, wenn fast alle Welt noch schläft. Die Erde wirkt still und friedlich, und ich fühle mich wie der einzige Mensch auf ihr.
    Das breitblättrige St.-Augustin-Gras war schwer vom Tau, dünne Nebelschichten waberten über die Wiesen und warteten darauf, dass die Sonne Floridas sie fortbrannte. Der Geruch von Grünpflanzen, schmutzigem Kanalwasser und Pferden hing in der Luft, ein beißender organischer Duft.
    Es war Montag, und das bedeutete, ich war absolut ungestört. Mein alter Freund und Retter Sean Avadon, dem der kleine Pferdehof außerhalb von Wellington gehörte, war mit seiner neuesten Liebschaft an den Strand gefahren, wo sie sich einölen und mit ein paar tausend anderen schönen Menschen in der Sonne braten würden. Irina, unsere Pferdepflegerin, hatte den Tag frei.

    Mein ganzes Leben lang habe ich die Gesellschaft von Pferden jener von Menschen vorgezogen. Pferde sind ehrliche, unkomplizierte Geschöpfe, ohne Tücke oder Hintergedanken. Man weiß bei einem Pferd immer, woran man ist. Nach meiner Erfahrung kann ich dasselbe von Menschen nicht behaupten.
    Ich machte mich an die morgendliche Fütterung der acht wundervollen Geschöpfe in Seans Stall. Alle waren aus Europa importiert worden, und ein jedes kostete mehr als das durchschnittliche Haus einer amerikanischen Mittelschichtfamilie. Den Stall hatte ein renommierter Architekt aus Palm Beach im karibischen Plantagenstil entworfen. Die hohe Decke war mit Teak verkleidet, und über dem Mittelgang hingen riesige Art-Deco-Kronleuchter aus dem Nachlass eines Hotels in Miami.
    An jenem Morgen machte ich es mir nicht mit meiner üblichen ersten Tasse Kaffee im Stall gemütlich, um zu lauschen, wie die Pferde leise ihr Futter zermalmten. Ich hatte nicht gut geschlafen - nicht dass ich jemals gut schlief. Noch schlechter als sonst, sollte ich wohl sagen. Hier zwanzig Minuten, da zehn. Der Streit war mir wieder und wieder durch den Kopf gegangen und hatte zu einem dumpf pochenden Kopfschmerz geführt.
    Ich war egoistisch. Ich war feig. Ich war ein Miststück.
    Manches davon stimmte. Vielleicht alles. Es war mir egal. Ich hatte mich nie als etwas ausgegeben, was ich nicht war. Ich hatte nie vorgegeben, mich ändern zu wollen.
    Noch ärgerlicher als der Streit selbst war für mich die Tatsache, dass er mir nachhing. Ich wollte das nicht. Ich wollte das alles nur hinter mir lassen.
    Ich hatte vor lauter Nachdenken darüber die Zeit aus
dem Blick verloren. Die Pferde hatten ihr Frühstück beendet und waren für andere Dinge offen - sie streckten den Kopf aus dem Fenster oder ließen ihn über ihre Boxentüren hängen. Eines hatte ein dickes Baumwollseil neben seiner Tür mit den Zähnen gepackt und schwang es wie ein Lassoartist zu seiner Unterhaltung immer rund um den Kopf.
    »Na, schön, Arli«, murmelte ich. »Dann eben du.«
    Ich zog den großen, grauen Wallach aus seiner Box, sattelte ihn und ritt vom Grundstück.
    Das Erschließungsgebiet, in dem Seans Farm lag, nannte sich Palm Beach Point - doch es war weder eine Landspitze, noch lag es auch nur in der Nähe von Palm Beach. Da es aus lauter Pferdehöfen bestand, waren Reiter auf oder an der Straße ein alltäglicher Anblick. Oder sie ritten auf den sandigen Wegen entlang der Kanäle. Poloponys ließ man oft zu dritt oder viert nebeneinander auf der Straße traben, in der Mitte ein Trainer. Aber es war Montag, der eine Wochentag, an dem sich die meisten Leute aus der Reiterszene frei nehmen.
    Ich war allein, und dem Pferd unter mir gefiel es nicht. Ich führte eindeutig nichts Gutes im Schilde - dachte es jedenfalls. Er war ein nervöser Bursche, reizbar und schreckhaft beim Ausritt. Genau aus diesem Grund hatte ich ihn ausgewählt. Meine Aufmerksamkeit durfte nicht abschweifen, wenn ich auf Arli saß, sonst würde ich mich schnell auf dem Boden wiederfinden und konnte
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