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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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verstehen“, wiederholte Brian leise. Seine Stimme klang fassungslos.
    Brian war damals nicht einmal bei der Beerdigung ihrer Mutter dabei gewesen, weil er zu high gewesen war. Das letzte Mal, dass sie einander gesehen hatten, war ein paar Monate vor Sarah Rivettes Tod. Seitdem war die liebevolle, versöhnliche Annabelle die einzige Verbindung zwischen ihnen.
    „Es tut mir leid wegen der Entzugsklinik“, sagte Brian, als ob er spürte, welche Richtung Trevors Gedanken nahmen. „Ich weiß, dass der Platz dich ein Vermögen gekostet hat. Ich glaube, ich war einfach noch nicht so weit.“
    Trevor antwortete nicht. Ein Krankenpfleger in grüner Krankenhauskleidung und Air-Jordan-Schuhen kam herein. Er brachte ein Tablett mit Essen, das er auf einem Rolltisch abstellte, bevor er wieder verschwand.
    „Möchtest du Frühstück?“ Brian stand auf und schob den Tisch näher ans Bett.
    „Annabelle sagt, du wärst clean.“
    Sein Bruder wich nicht aus. „Seit fast zwei Jahren.“
    „Arbeitest du wieder?“
    Brian nickte. Die beiden verfielen in Schweigen.
    Nach einer Weile sagte Trevor: „Ich bin froh, dass du vorbeigekommen bist, Brian.“
    Brian ging ein paar Schritte vom Bett weg. Er sah aus dem Fenster und bog die Metalljalousien mit den Fingern auseinander. „Ich bin nicht nur vorbeigekommen . Ich war fast die ganze Nacht hier. Genau wie Annabelle. Ich bin direkt vom Flughafen hierhergefahren.“
    Hatte er etwa so neben sich gestanden, dass er Brians Anwesenheitnicht bemerkt hatte? Trevor erinnerte sich deutlich an Annabelle und die Nachtschwester. Aber hin und wieder hatte er auch verschwommen andere im Zimmer wahrgenommen – körperlose Stimmen, graue Schatten, die über einfarbige Wände huschten.
    „Du bist hier gewesen?“
    „Überrascht dich das so sehr?“ Brian schüttelte den Kopf. „Du wurdest letzte Nacht von einem Auto angefahren, Trev. Du warst bewusstlos. Du hättest tot sein können.“
    „Na ja, das bin ich nicht.“
    „Dein Radio hatte nicht so viel Glück. Die Sanitäter baten mich, dir zu sagen, dass es total hinüber wäre. Sie haben sich nicht mal bemüht, es mit abzuliefern.“
    Ein weiteres Puzzleteil, das seinen Platz fand. Das kleine, silberne Radio an seinem Oberarm. Trevor hatte es mit Klettband befestigt. Er hatte gerade eine Talkshow gehört, und einer der Anrufer hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzt.
    „Man könnte durchaus sagen, dass ich etwas älter bin.“
    „Und wie alt?“
    „Älter, als du es dir wahrscheinlich vorstellen kannst.“
    Der Mann hatte sich Dante genannt. Der Name passte zu diesen Gothic-Anklängen, die die Morde hatten. Und was vielleicht noch wichtiger war: Die beleidigenden Briefe, die Trevor in den letzten Monaten erhalten hatte, waren mit dem Buchstaben D unterschrieben. Natürlich war es möglich, dass er gerade nach dem sprichwörtlichen Strohhalm griff, doch er musste unbedingt herausfinden, was der Anrufer noch gesagt hatte. Und zwar sofort. Er schlug die Decke zurück und schwang die Beine über die Bettkante.
    „Was machst du da?“
    „Ich muss mit jemandem sprechen.“ Als er die Infusionsnadel aus seinem Arm zog, zuckte er vor Schmerz kurz zusammen. Ein Tropfen Blut fiel auf den Fliesenboden. Schließlich stand er, noch etwas wackelig, auf den Beinen. Aber Brian stellte sich ihm in den Weg.
    „Du bist noch nicht entlassen. Du wirst nirgendwo hingehen.“
    „Ich muss. Es ist wichtig.“ Trevor wich seinem Bruder aus und fand seine Laufsachen und die Sportschuhe, die er am Abend zuvor getragen hatte, in einem Schrank neben dem Waschbecken. „Hilfst du mir jetzt oder nicht?“
    „Wenn ich das tue, bringt Annabelle mich um. Was ist denn so wichtig?“
    Trevor zerrte sich ungeduldig den Krankenhauskittel vom Körper und begann, sich anzuziehen. „Nicht was. Wer. Eine Radiomoderatorin. Ich habe gestern Abend ihre Sendung gehört, als ich in das Auto rannte.“
    Er suchte in seiner langsam wiederkehrenden Erinnerung. „Ihr Name war seltsam … irgendwas wie Storm Showers.“
    Brian unterdrückte ein Lächeln. „Du meinst Rain Sommers.“
    „Du weißt, wer sie ist?“
    „Ja, ich kenne sie. Warum kann das nicht warten?“
    „Weil ich glaube, dass sie sich mit meinem Täter unterhalten hat.“

5. KAPITEL
    Sonnenlicht ergoss sich über das Himmelbett. Rain stöhnte und vergrub das Gesicht in den Kissen. Schließlich hob sie den Kopf und blickte durch einen Schleier rotgoldener Haare auf den Wecker. Viertel vor acht.
    Mist.
    Sie schlug
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