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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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um das Opfer, als vielmehr um die Art und Weise, wie die Kleine ermordet worden ist.“ Über dem Obduktionstisch hing ein Mikrofon, in das der Gerichtsmediziner seine Untersuchungsergebnisse diktierte. Trevor schob es beiseite, damit er sich über die Leiche beugen konnte, und zeigte auf die Wunde unter dem Unterkiefer des Mädchens. „Die Drosselvene und die Halsschlagader wurden mit einem einzigen Schnitt durchtrennt. Dieses Muster passt zu einer Mordserie, die in den letzten achtzehn Monaten in mehreren Städten des Landes verübt worden ist. Allen Opfern wurden die Hände mit einem Rosenkranz gefesselt. Laut ViCAP-Datenbank, in der wir alle Mordfälle erfassen, passt Ihr Opfer in dieses Raster.“
    McGrath tippte mit einem Kugelschreiber auf den Notizblock in seiner Hand. „Sie meinen also, wir haben einen Serienkiller in New Orleans?“
    „Ich bezweifle, dass die Übereinstimmungen zufällig sind. Die Vorgehensweise ist viel zu ähnlich. Darum bin ich hierhergeflogen.“
    „Um unseren Fall zu übernehmen.“
    Trevor starrte auf einen offenen Schrank, in dem die Obduktionsinstrumente lagen – darunter ein Rippenspreizer und eine Knochensäge. Er war auf Widerstand vorbereitet. „Hören Sie, ich weiß, dass die hiesige Polizei und das FBI dafür bekanntsind, nicht gut miteinander auszukommen …“
    „Wie Atheisten im Vatikan“, murmelte Thibodeaux.
    „Doch das muss nicht für diesen Fall hier gelten“, betonte Trevor. „Mir ist es egal, wer für was die Lorbeeren einheimst – ich will diesen Kerl schnappen. Wir können diesen Mord gemeinsam bearbeiten und Informationen austauschen, oder wir arbeiten getrennt. Aber das hier ist New Orleans, und wenn ich einen Blick in die Kriminalitätsstatistik werfe, haben Sie einige Fälle, die noch aufgeklärt werden müssen.“
    Thibodeaux kniff argwöhnisch die Augen zusammen. „Also schwebt Ihnen ein Deal vor – nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere?“
    „So in der Art.“
    McGrath rieb sich das Kinn und fragte: „Wie viele Opfer gibt es schon?“
    „Fünf, dieses Mädchen mit eingerechnet.“
    „Wo?“
    „In D. C., Atlanta, Memphis und Raleigh. Und jetzt hier. Die gute Nachricht für Sie ist: Der Täter verfolgt offenbar eine Strategie, nach der es pro Stadt nur ein Opfer gibt. Vielleicht ist er schon längst weitergezogen, was bedeutet, dass auch ich bald wieder verschwinden werde.“
    „Und wenn nicht?“, fragte Thibodeaux.
    „Dann haben wir ein größeres Problem als nur eine Leiche.“
    McGrath kratzte sich mit dem Kugelschreiber hinter dem Ohr. „Haben die Medien dem Scheißkerl schon einen Namen verpasst?“
    Trevor verschränkte die Arme vor der Brust. „Die Presse hat die Morde bislang noch nicht miteinander in Zusammenhang gebracht. Wahrscheinlich wegen der weit auseinanderliegenden Tatorte. Bestimmte Details haben wir bewusst geheim gehalten. Wir nennen ihn den Vampir – wegen seiner Tötungsmethode und weil einige der Opfer auch Verbindungen zur Gothic-Szene ihres Wohnortes hatten.“
    „Unser Opfer hier wurde in einem verlassenen Haus auf derTchoupitoulas gefunden, weit entfernt von jeglichem Nachtleben“, sagte Thibodeaux. „Die bläulichen Hautverfärbungen deuten allerdings darauf hin, dass das Mädchen einige Stunden nach seinem Tod bewegt wurde. Außerdem passt die Blutmenge am Tatort nicht zu den schweren Verletzungen, die der Typ der Kleinen zugefügt hat.“
    McGrath wandte sich dem Gerichtsmediziner zu. „Da wir gerade davon sprechen: Ist die Identität der Toten schon bekannt?“
    „Nein, bislang noch nicht“, entgegnete Semer, der den Wink sofort verstand. Er ging zum Obduktionstisch, schaltete die Lampe ein und nahm sich ein Paar Latexhandschuhe. „Bereit für das volle Programm?“
    Im harten Licht wirkte die aschfahle Haut des toten Mädchens beinahe durchsichtig. Um die Y-förmige Narbe herum war der Körper eingesunken, nachdem die inneren Organe entfernt worden waren.
    McGrath wurde blass. „Gott, Semer. Was Sie mit dem Zeug machen, das Sie aus den Leichen rausholen, will ich gar nicht wissen.“
    „Dann werde ich es Ihnen auch nicht sagen.“ Semer richtete seinen Blick auf Trevor. „Aber Agent Rivette hat recht – der Schnitt am Hals war die Todesursache. Sie ist im Grunde verblutet. Ungefähr vierzig Prozent Blutverlust.“ Mit seiner behandschuhten Rechten zeigte er auf die anderen Wunden am Körper der Toten. „All diese Schnitte, von denen die meisten oberflächlich sind, wurden der
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