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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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1. KAPITEL
    Trevor Rivette wartete in Obduktionssaal drei im Keller des All Saints Hospital . In dem Gespräch, das gerade im Flur geführt wurde, ging es um ihn. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Er lauschte aufmerksam, während er den Blick durch den fensterlosen Raum schweifen ließ, in dem der scharfe Geruch eines Antiseptikums hing.
    „Der FBI-Mann ist bei der Leiche. Er meint, er wäre gerade angekommen.“
    Der schwere Akzent gehörte zu Douglas Semer, Gerichtsmediziner im Orleans Parish, den Trevor kurz zuvor kennengelernt hatte. Semer war ein blasser, älterer Mann mit dicken Brillengläsern, durch die er etwas eulenhaft wirkte. Er hatte Trevor bei dessen Ankunft mit leichtem Misstrauen begrüßt.
    „Wie lange wartet er schon?“, fragte der andere Mann.
    „Eine halbe Stunde vielleicht.“
    Ein Dritter meldete sich zu Wort. Seine Stimme klang heiser, als hätte er sein ganzes Leben lang Zigaretten geraucht. „Hat er gesagt, warum sich die Leute vom FBI für unsere Leiche interessieren?“
    „Nein. Ich habe ihm erklärt, ich müsse warten, bis das NOPD da wäre. Erst dann könne ich ihm meinen abschließenden Untersuchungsbericht geben.“ Semers Antwort hatte einen Unterton, als wollte er sagen: Wir Jungs hier im Ort halten zusammen.
    Trevor blickte wieder auf den Obduktionstisch aus Edelstahl, auf dem der nackte Körper des Opfers lag. Die Lippen des Mädchens waren blau angelaufen und leicht geöffnet, das rötlich blonde Haar umrahmte das Gesicht. Eine Stütze aus Gummi war unter den Kopf geschoben worden, um den Leichnam für die Autopsie in die richtige Position zu bringen. Der Y-Schnitt, der an den Schultern des Mädchens ansetzte und dann ab dem Brustbein in einer Linie bis hinunter zum Schambein verlief, zeigte, dass Semer seine Arbeit beendet hatte.
    Das Mädchen war höchstens sechzehn gewesen und damitwesentlich jünger als die anderen Opfer. Noch ein halbes Kind, weshalb dieser Tod erst recht sinnlos und brutal wirkte. Trevor stieß einen Seufzer aus und starrte auf den Schriftzug an der Wand des Obduktionssaals. Es war Latein, doch er übersetzte die Worte spielend.
    Dies ist der Ort, an dem der Tod mit Freude lehrt.
    Na ja. Wenn es um tote Frauen auf einem Stahltisch ging, hatte er das Gefühl, schon so viel gelernt zu haben, dass es für mehr als ein Leben reichte.
    Die Tür zum Obduktionssaal schwang auf, und Semer trat ein. Ihm folgten die beiden Männer, mit denen er sich gerade im Flur unterhalten hatte.
    „Detectives McGrath und Thibodeaux, das ist Agent Rivette vom FBI.“ Nachdem Semer sie einander vorgestellt hatte, machte Trevor einen Schritt nach vorn, um den Detectives die Hand zu reichen. Der erste, McGrath, war mittleren Alters und stämmig, mit beginnender Glatze und Schnurrbart. Sein Partner Thibodeaux war ein schlaksiger Afroamerikaner, dessen Haar an den Schläfen allmählich grau wurde. Wie Trevor trugen die beiden ihre Waffen in einem Holster am Gürtel.
    McGrath warf einen vielsagenden Blick auf den Besucherausweis, der an Trevors Revers befestigt war. „Also, Special Agent Rivette, Semer sagt, Sie sind aus dem Norden. Heißt das, Sie kommen von der Außendienststelle in Mobile?“
    Bei McGraths Scherz deutete Trevor ein Lächeln an. „Etwas nördlicher als Mobile, Alabama. Aus D. C., um genau zu sein. Ich bin von der Violent Crimes Unit , der Abteilung für Gewaltverbrechen.“
    „VCU, hm? Nicht schlecht.“ McGraths Miene nach zu urteilen, beeindruckte ihn das allerdings nicht sonderlich.
    Trevor fuhr fort: „Ich war auf dem Weg zu Ihrer Dienststelle, um einen Blick auf die Fotos vom Tatort zu werfen, aber ich wollte zuerst hier vorbeikommen und sehen, ob der Obduktionsbericht schon fertig ist.“
    „Nur ein vorläufiger“, erklärte Semer. „Ich habe noch nichtsschriftlich festgehalten, und die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung werden nicht vor morgen da sein …“
    „Rivette. Der Name klingt, als wären Sie aus der Gegend“, mischte sich Detective Thibodeaux ein. Er lehnte an der Front der in die Wand eingebauten Leichenkühlfächer und sah Trevor voller Interesse an. „Genealogie ist ein Hobby von mir. Wenn ich mich nicht irre, ist Ihr Nachname französisch, stimmt’s?“
    Trevor nickte leicht. „Ich habe Familie hier.“
    Als er nicht weiter darauf einging, wandte Thibodeaux seine Aufmerksamkeit dem Leichnam zu. „Ist dieses Mädchen was Besonderes, Agent? Sie haben dafür einen weiten Weg zurückgelegt.“
    „Es geht nicht so sehr
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