Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Myrna E. Murray
Vom Netzwerk:
ist es mir egal, ob er mein Blut in sich trägt. Wenn er sich nun entschließt, nicht mit mir zu kommen, werde ich ihn ziehen lassen. Unsere Bindung wird schwächer werden und irgendwann ganz verlöschen. Außerdem würde ich seine Erinnerungen entsprechend manipulieren. Beinahe hätte ich mir mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen. Natürlich ist es so einfach. Die Nähe zum Festland muss meine Sinne wohl geklärt haben, denn auf See wäre mir dieser Gedanke gar nicht erst gekommen.
    Ich ziehe mich zurück. „Also, wenn du gehen willst, dann ...“, beginne ich.
    „ Was dann?“
    „ Dann geh.“
    Er verschränkt die Arme vor der Brust. „Du würdest mich gehen lassen?“
    Ich zucke mit den Schultern und versuche die nun doch aufkommende Unruhe zu unterdrücken. „Warum sollte ich es nicht tun?“
    „ Weil ich dein Gesicht und deinen Namen kenne. Du hast selbst gesagt, dass du es nicht zulassen kannst, dass ich dich aufspüre und womöglich noch auffliegen lasse.“
    Ich lächele nur leicht und glätte meine Gesichtszüge. „Was sollte ich deiner Meinung nach tun?“
    „ Du hast viele Möglichkeiten. Zum Beispiel könntest du mich töten, nur um ganz sicher zu gehen.“
    Nun wird mein Lächeln traurig. Er hat tatsächlich viel darüber nachgedacht. „Wenn ich jeden töten würde, der mich jemals gesehen hat oder meinen Namen kennt, dann wäre ich nur noch damit beschäftigt.“
    Er zieht eine Augenbraue hoch.
    „ Alex“, seufze ich und setze mich an den Tisch. „Seien wir doch wenigstens so ehrlich und sprechen es aus: Ich bin ein Vampir. Eine mystische Horrorgestalt und ein Alptraumwesen. Ich gehöre nicht in die moderne Realität und niemand glaubt an meine Existenz. Oder kennst du einen Paragraphen im Rechtssystem, der direkt auf mich abzielt?“ Er schweigt nachdenklich. „Selbst wenn du versuchen solltest, jemanden von meiner Existenz zu überzeugen, würdest du auf taube Ohren stoßen.“ Wieder lächele ich traurig beziehungsweise nun doch halb amüsiert. „Oder du findest obskure Gestalten, die von unserer Existenz überzeugt sind und mit aller Macht versuchen einen Lebensstil an den Tag zu legen, von dem sie glauben, er würde dem unseren ähneln.“
    Er schmunzelt. „Das klingt, als würdest du sie belächeln?“
    „ Nicht wirklich. Jeder hat seine Träume, weißt du.“
    Er lächelt. „Ich wusste gar nicht, dass du eine poetische Ader hast.“
    „ Du weißt vieles nicht.“ Das ist eine Feststellung.
    Er scheint eine Entscheidung getroffen zu haben, denn nun setzt er sich zu mir. „Ich habe nicht vor, dich zu verlassen. Aber es ist gut zu wissen, dass du mich gehen lassen würdest.“ Ich nicke. Jetzt greift er nach meinen Händen. Seine sind warm, meine kalt. „Ich hatte gestern schreckliche Angst um dich, als ich dich da habe hängen sehen.“ Na endlich ist es heraus. Seine Erleichterung über dieses Eingeständnis ist beinahe körperlich spürbar.
    „ Glaube mir, dass es für mich auch keine angenehme Erfahrung war.“ Er drückt meine Hände sanft. „Aber es ist vorbei und mit ein bisschen Glück werde ich die beiden niemals wiedersehen.“ Er gibt einen Bestätigungslaut von sich.
    „ Weißt du noch, wie du gesagt hast, du brauchst mich?“, fragt er. Ich nicke. „In Wahrheit brauche ich dich genauso wie du mich.“
    Etwas Schöneres hätte er mir gar nicht sagen können. Langsam, ganz langsam ziehe ich ihn an mich und wir küssen einander.
    „ Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt“, erklärt er, als wir uns wieder voneinander lösen.
    „ Na, ich erst.“
    Er lächelt. „Wollen wir hinaufgehen und die Stadt begrüßen?“
    Ich grinse. „Ist es denn schon so weit?“
    „ Beinahe.“
    Ich nicke und wir hüllen uns in die dicken Wintermäntel.
    Kurze Zeit später stehen wir als ein Paar unter vielen auf Deck 13 und betrachten die näherkommenden bunten Lichter der Großstadt. Irgendwo weit vor uns liegt die „alte Welt“ und ich bin plötzlich voller Ehrfurcht. Welche Abenteuer wird sie wohl für mich bereithalten?
     
    Nachdem das Schiff angelegt hat, geht alles sehr schnell. Genau wie von Nicole prophezeit, werden wir von einem großen Wagen mit dunkel getönten Scheiben abgeholt. Zugegeben, es ist vielleicht ein wenig klischeehaft, aber mein angeschlagenes Ego genießt dies ebenso in vollen Zügen wie die bevorzugte Passabfertigung. Manchmal ist es von Vorteil, Freunde in gewissen Positionen zu haben.
    Alex und ich sitzen auf der Rückbank, während der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher