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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten
Autoren: Magdalen Nabb
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die Kontrolle über die Villa bekamen und über den Nachlaß von Sir Christophers Mutter.«
    »Trotzdem wissen wir nicht alles«, wandte der Maresciallo ein. »Zum Beispiel wird man nie erfahren, wie viele Kunstschätze erst gar nicht in die Inventarliste gelangt sind, sondern einfach unter der Hand verschwanden, manches beim Tode von Jacob, der Rest, als Sir Christopher nach unten verlegt wurde, von dem sogenannten ›großen Raub‹ ganz zu schweigen. Als ich das erste Mal oben war in L’Uliveto, da sagte Sir Christopher, das Obergeschoß sei eine Schatzkammer wie Aladins Höhle.«
    »Ach, wirklich? Tja, so sah es freilich nicht mehr aus, als Maestrangelo und ich oben waren. Natürlich gab’s verräterische Indizien. Die Bilder an den Wänden hatten alle nicht die gleichen Ausmaße wie die hellen Wandflecken hinter ihnen – in meinen Augen eine etwas dilettantische Mogelei.«
    »Das war denen völlig egal, ob’s jemand merkte oder nicht. Porteous hatte freie Hand und konnte über die Kunstschätze nach Gutdünken verfügen. Aber das Steueramt hat noch nicht aufgegeben, und der junge Gärtner war natürlich auch eine große Hilfe.«
    Jim war eines Morgens im Präsidium in Borgognissanti erschienen, aufgeweckt wie immer und vor Neuigkeiten sprudelnd.
    »Also ich denke, und der Obergärtner meint auch…«
    Und mit Hilfe des prächtigen Bildbandes von Capitano Maestrangelo hatten sie einige Urnen und Statuen identifizieren können, die mit Sicherheit einmal im Garten der Villa L’Uliveto gestanden hatten, auch wenn sie im Inventar nicht vorkamen. Die Fotos für den Bildband waren vor etlichen Jahren aufgenommen worden, als Jacob noch lebte.
    »Freilich«, gab der Capitano zu bedenken, »freilich wissen wir nicht, was Jacob und oder Sir Christopher selber verkauft haben und was ihnen von den Menschen gestohlen wurde, zu denen sie mehr als großzügig waren.«
    »In der Limonaia stapelte sich das Zeug doppelt und dreifach«, warf Jim ein. »Und der Obergärtner sagt, Sir Christopher waren durch das Testament seines Vaters die Hände gebunden, das Rinaldi nur den Nießbrauch seines Ladens und der Wohnung zugestand, aber er hätte ihm beides gern vermacht. Und als Sir Christopher nicht mehr klar war im Kopf, da haben sein Sekretär und der Anwalt Rinaldi die Immobilien einfach für einen Apfel und ein Ei verkauft. Die gleiche krakelige Unterschrift auf dem ungelesenen Vertrag wie auf dem gefälschten Testament – aber die Lippen der drei Saubermänner sind versiegelt.«
    Und sie glaubten ihm, aber wo waren die Beweise?
    Trotzdem war die Neugier von Staatsanwalt und Capitano in einem Punkt gestillt worden.
    »Er hat doch tatsächlich gelächelt«, sagte der Staatsanwalt jetzt zum Maresciallo, »nicht gleich und vor allen Leuten, aber hinterher – ich darf nicht wieder die falsche Ausfahrt erwischen… geht’s hier ab? Ja! – haben Sie gesehen, wie er sich gefreut hat? Ich glaube, er hat sogar mit dem Finger über den Rahmen gestrichen. Erinnern Sie sich?«
    »Nun ja«, murmelte der Maresciallo und tastete in seiner Tasche nach der dunklen Brille, als ein kräftiger Frühlingswind die Regenwolken vertrieb und die Sonne durchbrach, »kommt auch nicht jeden Tag vor, daß man eine echte Leonardo-Zeichnung in Privatbesitz antrifft.«
    »Nein.« Der Staatsanwalt nickte. »Ich weiß nicht, woran das liegt, aber es ist nicht dasselbe, als wenn man sie in den Uffizien sieht, oder? Wenigstens dieses Kleinod konnten sie nicht verschwinden lassen. Ausgezeichnet mit dem Wappen des Ministeriums – hätte zuviel Aufsehen erregt. Haben Sie sich eigentlich mal gefragt, was aus Ruth und den Kindern geworden wäre, wenn Jacob seine Energie und diese fast manische Willenskraft auf seine künstlerischen Ambitionen konzentriert hätte und wirklich Maler geworden wäre?«
    »Den Hirschs wäre es dann keinen Deut besser gegangen«, sagte der Maresciallo bestimmt. »Ruth hätte statt hinter Rose hinter seiner Malerei zurückstehen müssen.
    Sie hätte Sara auch dann Jacobs egozentrischen Ansprüchen geopfert, und Sir Christopher wäre genauso ein drittklassiger Amateurmaler geworden. Nur daß er versucht hätte, sich über den Namen seines Vaters Geltung zu verschaffen, statt durch seine vornehmen adeligen Freunde.«
    Der Staatsanwalt hob resigniert eine Hand. »Ich gebe mich geschlagen – streichen Sie die Frage.«
    Auch der Maresciallo sah sich, zumindest in einem Punkt, zufriedengestellt. Er hatte jetzt eine ungefähre Vorstellung
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